DJI Avinox E Bike Motor im Test
Der DJI Avinox E-Bike Motor hat auf der Eurobike 2024 die etablierten Motorenhersteller wie Bosch und Shimano ins Schwitzen gebracht. Aber wie viel Fahrspaß steckt wirklich hinter dem Hype um den Markteintritt von DJI? Unser Praxistest des ersten DJI EMTB Motors klärt auf.




Kleines Baumaß, große Leistung - mündet das im Derating?
Die Kombination aus der Leistung von 800 Watt, ja in der Spitze sogar 1000 Watt und dem kleinen Baumaß des Motors schreit förmlich nach einer Frage: Drängt diese Kombination den Motor übermäßig schnell in Derating?
Von Motorderating spricht man, wenn der Motor aufgrund von Überhitzung seine Leistung reduziert, damit die Hardware keinen Schaden nimmt. Das Phänomen des Derating ist vor allem bei light EMTB Motoren bekannt. Motoren wie der TQ HPR 50, aber auch der Bosch SX regeln unter extremen Umständen schnell runter. Aber auch Shimano EP801 oder andere Full Power Motoren sind davor nicht gefeit.



Die extremen Umstände herrschen vor allem dann, wenn der maximale Strom durch das System fließt. Es geht also weniger darum, den Motor möglichst lange zu quälen. Wichtiger ist es, ihm die maximale Leistung abzuverlangen. Deshalb haben wir einen Testrucksack mit 40 Kilo Extragewicht präpariert. Zusammen mit Bike und Fahrer haben wir uns damit an das maximal zulässige Systemgewicht von 135 Kilo herangewagt und haben eine Steigung von 20 % aufgesucht.
Um das System maximal zu strapazieren, haben wir die Boost-Funktion, die das DJI Avinox System bietet, immer wieder gezündet. In der Boost-Funktion stellt der Motor für den begrenzten Zeitraum von 30 Sekunden 1000 Watt und mehr zur Verfügung. Sind die 30 Sekunden abgelaufen, kann man die Boost-Funktion aber direkt erneut zünden. Die zeitliche Begrenzung ist also mehr oder weniger eine Formsache. Wie lange hält der Motor das durch?

Das DJI Avinox System ist erstaunlich robust
Wir haben den Test auch mit anderen Systemen durchgeführt und da war nach ca. 75 hm Schluss mit Leistung. Ähnliches hätten wir auch vom DJI Avinox System erwartet. Aber dem war nicht so. Wir haben die Boost-Funktion mal um mal wieder gezündet und der Motor hat geliefert.
Insgesamt konnten wir die Boost-Funktion 7 Mal hintereinander zünden, bevor unser Testanstieg mit knapp 150 Höhenmetern zu Ende war. Eine deutliche Reduktion der Motorleistung war trotz des Systemgewichts von 135 Kilo und der extremen Steigung von 20 % und mehr nicht zu spüren. Die knapp 150 Höhenmeter auf Schotter bzw. losem Waldboden sind wir in etwas über 4 Minuten hoch gestrampelt.

Eine erstaunliche Leistung. In der Praxis wird in den allerwenigsten Fällen ein Szenario wie das unseres Tests auftreten. Denn um dem Motor die volle Leistung über den Testzeitraum zu entlocken, muss man auch als Fahrer ordentlich in die Pedale strampeln. Und um das maximale Systemgewicht zu erreichen, braucht man fahrfertig 115 Kilo. Dass diese beiden Szenarien auf einen Anstieg mit 20 % Steigung in freier Wildbahn treffen, ist noch vorstellbar. Aber wer zündet dann 7 Mal in Folge die Boost-Funktion über 150 Höhenmeter? Wohl eher niemand. Wir legen uns deshalb fest: DJI lässt sich beim Thema Standfestigkeit nicht vorführen. Bleibt zu klären, wie es mit der Reichweite und dem Fahrverhalten aussieht.

Mehr Sensoren für bessere Fahreigenschaften
DJI sagt selber, dass im Motor bzw. dem kompletten Antriebssystem 10 unterschiedliche Sensoren verbaut sind, um die jeweilige Fahrsituation zu erkennen. Zum Vergleich: Bosch spricht auf seiner Webseite von gerade mal 3 Sensoren, die das Antriebssystem nutzt.
Wenn man sich das Bike genau ansieht, merkt man auch, dass hier nicht nur die pure Anzahl der Sensoren eine Rolle spielt, sondern auch die Technik der Sensorik. Während man bei vielen Herstellern immer noch auf Magneten an der Speiche, Bremsscheibe oder dem Ventil setzt, die pro Radumdrehung nur 1x am Abnahmepunkt vorbeikommen, ist hier ein deutlich sensibleres Messsystem im Einsatz.
Die zusätzlich an der Bremsscheibe montierte Sensorscheibe liefert 42 Messpunkte pro Radumdrehung, die elektromagnetisch abgelesen werden. Man kennt die Optik dieser Scheibe von Boschs ABS-Bremssystem. Damit muss das System also nicht eine Radumdrehung warten, um festzustellen, dass sich die Geschwindigkeit verändert hat, sondern kann das schon feststellen, wenn sich das Rad nur 8,6 Grad bewegt. Und damit hat man natürlich eine ganz andere Grundlage, auf der man die Software aufsetzen kann.


Erstaunlicher aber ist, dass ein Newcomer wie DJI auch die Kunst beherrscht, aus dieser Datengrundlage solide Fahreigenschaften zu generieren. Denn die Power, mit der DJI wirbt, ist in der Praxis nicht der große Gamechanger. Die 105 NM Drehmoment und die über 1000 Watt Spitzenleistung sind nett, aber man kann auch mit deutlich weniger im Gelände schon sehr viel Spaß haben. Entscheidender dabei ist, wie die Power in Vortrieb umgesetzt wird.
Bisher haben vor allem der Bosch CX und der Shimano EP801 die Benchmark bei der Motorsteuerung gesetzt. Aber nach unserem Test legen wir uns auch in diesem Punkt fest: Der DJI reagiert hier nicht nur sensibler, sondern entwickelt seine Kraft auch harmonischer als seine Konkurrenten.
Der häufig angesprochene Nachschub des Motors ist bei diesem System auch nicht mehr Gott gegeben, sondern lässt sich ganz einfach per App an persönliche Vorlieben anpassen. Überhaupt ist die Anbindung der App und die Connectivity des Systems und die Darstellung von Daten auf einem Display auf einem völlig neuen Level.

Display, Funktionsumfang und Connectivity - ein völlig neues Erlebnis
Das im Oberohr integrierte OLED Display mit Touch Funktion setzt im EMTB Bereich völlig neue Maßstäbe. Denn während die Monitorauflösung von TQs Display eher an die 90er Jahre erinnert, sind die Displays von Bosch entweder zu klein, an einer eher unpassenden Stelle montiert, oder gleich so groß, dass sie niemand an einem sportlichen EMTB haben will. Shimanos klassisches Display am Lenker zeigt nur die nötigsten Informationen auf einen winzig kleinen Bildschirm, der immerhin gut geschützt platziert ist.
Dagegen wirkt das völlig frei und vor allem einfach konfigurierbare Display des DJI Avinox Systems wie das nächste Level. Denn es besticht nicht nur mit der intuitiven Touch Bedienung (die auch mit Handschuh funktioniert) oder seiner Auflösung. Es zeigt auch mehr Daten an, als jedes andere EMTB Display.

So kann man sich nicht nur die gefahrenen Kilometer anzeigen lassen. Auch die Höhenmeter spuckt das Display aus. Man sieht die eigene Leistung in Watt und die zusätzliche Leistung, die der Motor beisteuert. Man kann sich die Hangneigung anzeigen lassen. Und laut Aussage von DJI arbeitet man bereits an einer Schnittstelle zu Komoot, sodass in Zukunft auch die Navigation mit diesem Display ganz einfach möglich sein könnte. Damit wäre endlich das Problem des zweiten Bildschirms, den man an so vielen EMTBs in Form eines Handys oder GPS-Tachos sieht, gelöst.
Was jetzt schon geht, ist, dass man mühelos alle Daten auf sein Handy spiegeln kann, oder das Display auch mit Hilfe des Handys neu konfigurieren kann. Außerdem hat das Rad einen eingebauten Diebstahlschutz, der einen informiert, wenn das Bike bewegt wird, wenn es eigentlich im Keller schlummern sollte. Zusätzlich zum Display lassen sich zwei kabellose Bluetooth Remotes am Lenker links und rechts montieren, um das System zu bedienen. Wir finden, dass hier eigentlich einer reicht, um die Fahrmodi zu wechseln. Den Zweiten kann man sich sparen.


Wie laut ist der DJI Avinox Motor?
Ein Punkt der bei sehr vielen EMTBs nervt, ist das Getriebeklappern bergab. Bosch hat das sowohl bei den CX Modellen der 4. Generation. Und auch Shimano hat damit beim EP8 und beim EP801 massiv zu kämpfen.
Dieses Klappern stört einfach die Harmonie, wenn man mit dem Bike durch die Natur düst. Der DJI Motor hat dieses Problem nur auf ganz geringem Niveau. Unser Testbike hat zwar auch Geräusche gemacht, ein Großteil davon kam aber vom knackenden Steuersatz und klappernden Zügen. Mehr dazu erfahrt ihr in unserem Test vom Amflow PL Bike. Ein vehementes und dauerhaftes Getrieberasseln war nicht zu vernehmen.
Beim Bergauffahren ist der Motor auf einem ähnlichen Niveau wie Bosch aber etwas leiser als Shimano Aggregate. Vor allem, wenn man ihm bei niedriger Trittfrequenz die volle Leistung abverlangt, ist er deutlich hörbar. Kurbelt man mit hoher Frequenz und lässt den Motor weniger arbeiten, ist das Fahrgeräusch zwar noch wahrnehmbar, wird aber deutlich leiser.

Akkus und Motor - Leichtgewichte in der Full Power Klasse
Das Amflow Bike wiegt in der leichtesten Ausstattung (600 Wh Akku) 19,34 Kilo ohne Pedale. Und das ist eine Hausnummer. Auch die Gewichte der anderen Versionen können sich mit 20,3 bzw. 21,3 Kilo bei einem 800er-Akku wirklich sehen lassen. Zum Vergleich: Das leichteste Full-Power-EMTB, das wir bisher am Haken hatten, war das neue Orbea Rise. Das wog bei gleichem Federweg 19,85 Kilo mit 630er-Akku und Double-Down-Hinterreifen. Woher holt Amflow bzw. DJI das Gewicht raus?



Mit 2514 Gramm ist der DJI Avinox Motor tatsächlich ca. 100 Gramm leichter als der Shimano EP801 Motor und sogar 400 Gramm leichter als Boschs CX Motor der 4. Generation.
Und auch beim Akku-Gewicht spielt DJI von Anfang an in der ersten Liga. Mit 2,9 Kilo für den 600er-Akku und 3,7 Kilo für den 800 Akku können sich diese Gewichte wirklich sehen lassen. Im Vergleich zu den aktuellen Bosch Powertube Akkus ist man hier deutlich leichter unterwegs. Der 625er Bosch Powertube Akku wiegt nämlich in etwa genauso viel wie hier der 800er.

Absolut outstanding ist das Akkugewicht nicht. Shimano hat ein offenes Akkusystem, wo jeder Hersteller seine eigenen Akkus verwenden kann. Und die Akkus, die Orbea für sein Rise verwendet, spielen gewichtstechnisch in derselben Liga. Der 630er Akku wiegt hier nämlich 2,9 Kilo und ist mit 4,6 Gramm pro Wattstunde sogar minimal leichter als die DJI Avinox Akkus.
Akku | Systemspannung | Kapazität | Gewicht | Gramm pro Wattstunde |
Orbea Rise Akku (Shimano-System) | 36 Volt | 630 Wh | 2880 Gramm | 4,6 g / Wh |
DJI Avinox Akku | 48 Volt | 800 Wh | 3758 Gramm | 4,6 g/Wh |
Orbea Rise Akku (Shimano-System) | 36 Volt | 420 Wh | 1960 Gramm | 4,7 g / Wh |
DJI Avinox Akku | 48 Volt | 600 Wh | 2900 Gramm | 4,8 g/Wh |
TQ HPR 360 V1 | 48 Volt | 360 Wh | 1864 Gramm | 5,2 g / Wh |
Fazua Energy 430 | 48 Volt | 430 Wh | 2300 Gramm | 5,3 g/Wh |
Giant EnergyPak 800 | 36 Volt | 800 Wh | 4300 Gramm | 5,4 g / Wh |
Bosch PowerTube 750 | 36 Volt | 750 Wh | 4.300 Gramm | 5,7 g / Wh |
Bosch PowerTube 625 | 36 Volt | 625 Wh | 3.650 Gramm | 5,8 g / Wh |

DJI Schnellladefunktion - mit 12 Ampere
Auch beim Ladegerät klatscht DJI der Konkurrenz eine vor den Latz. Denn während Bosch schon mit einem 6-Ampere-Ladegerät von Schnellladen spricht, arbeitet DJI hier standardmäßig mit 12-Ampere. Erstaunlich daran ist, dass dieses 12-Ampere-Ladegerät ohne Lüfter auskommt, den man bei diesem Stromdurchfluss zur Kühlung erwarten würde.
Möglich wird das durch eine neue GaN-Technologie. Die Galliumnitrid-Technologie ermöglicht ein hoch effizientes Ladegerät für hohe Ladegeschwindigkeiten. Den 800 Watt Akku bekommt man laut DJI in 1,5 Stunden von 0 auf 75% geladen. Danach geht es auch mit neuem Ladegerät etwas langsamer weiter. Zirka 2,5 Stunden muss das Bike schon an der Steckdose hängen, bis es vollkommen geladen ist. Denn das finale Balancen der Zellen im finalen Ladezyklus dauert. Trotzdem sind 2,5 Stunden immer noch verdammt schnell. Zum Vergleich: Ein 800er Bosch Akku brauch ca. 7 Stunden bis er vollgeladen ist. Das Display des Bikes zeigt während des Ladevorgangs die Dauer an, bis zur vollständigen Ladung (kennt man so auch noch nicht).


Thema Reichweite - DJI hält das Niveau der Konkurrenz
Der Vergleich zu anderen Systemen ist hier natürlich etwas schwer, denn klar ist, wo mehr Leistung anliegt, wird mehr Energie verbraucht. An der Stelle fällt dem Avinox sein brachiales Drehmoment und auch die hohe Spitzenleistung etwas in den Rücken. Aber mit dem 800er-Akku ist er auch üppig ausgestattet.
Wir waren bei unserem Test überwiegend im Turbomodus mit voller Leistung unterwegs. Das machen wir immer so, wenn wir versuchen, die Reichweite zu ermitteln. Boschs SX System kriegen wir mit den 400er-Akkus, die meist verbaut sind, dann mit etwa 1000 Höhenmetern platt.
Bosch CX Motor schafft, mit den meist verbauten 625er-Akkus ca. 1300-1400 hm.

Bikes mit Shimanos EP801 Motor und 600er-Akku bzw. 630er-Akku wie das Cannondale Moterra SL oder das Orbea Rise habe ich im Turbomodus in etwa in 1600 Höhenmeter leer gefahren.
Mit DJIs Avinox System haben wir mit Uphills auf Schotter und Trails und zum Teil auch wirklich steilen Trails mit dem 800er-Akku 1800 Meter geschafft. Wohl gemerkt bei einem Fahrergewicht von 70 Kilo. Regelt man die Leistung auf das Niveau der Konkurrenz runter, kann man sagen, ist der DJI Avinox etwas effizienter als seine größten Konkurrenten, liegt aber im Großen und Ganzen auf einem Niveau mit ihnen.

Vorteile des DJI Avinox-Systems
- leichter als die Konkurrenz
- kleiner als die Konkurrenz
- sehr feine Motorsteuerung
- geniales Display
- Schnellladefunktion
Nachteile des DJI Avinox-Systems
- aktuell nur in Amflow Bikes erhältlich
- keine Erfahrung bezüglich Dauerhaltbarkeit

Fazit zum DJI Avinox Motor
Die Welle rund um DJIs Einstieg in die EMTB-Welt war groß und das zurecht. Beim Thema Sound und Reichweite setzen die Chinesen zwar keinen neuen Standard, schaffen es aber mit ihrem Erstlingswerk, sofort mit den besten Playern im Markt mitzuspielen.
In Sachen Gewicht, Motorsteuerung und User Interface lässt man die Konkurrenz sogar ziemlich alt aussehen. Die Kombination aus kraftvoll, leise und klein findet man so aktuell kein zweites Mal auf dem Markt. Rund 10 Jahre nach dem Losbrechen der großen EMTB-Welle schließt dieser Motor die allergrößten Flanken für Kritik und hebt EMTBs auf das nächste Level. Grund genug für uns, diesen Motor unsere Editors‘ Choice Auszeichnung zu geben.