Test: Pinion MGU
Die Pinion MGU will nicht weniger als das Schalten neu erfinden: Motor und Getriebe in einem Gehäuse – weniger Verschleiß, mehr Effizienz und neue Funktionen wie Autoshift. Wir haben die Einheit ausgiebig getestet, die Leistung gemessen, die Reichweite überprüft und den Sound mit anderen Motoren verglichen. Ist die MGU die Zukunft des E-MTBs?
Leistung
Im standardisierten Test bei 150 Watt Input und 85 U/min liefert die MGU 560 Watt – auf Augenhöhe mit dem Bosch CX Gen 5 nach seinem Power-Update und knapp unter DJI Avinox im Turbomodus.
Steigert man den Input auf 200 Watt, steigt der Output in unserem standardisierten Testverfahren auf fast 600 Watt. Damit lässt sich im Gelände selbst in steilsten Passagen Uphillflow erleben.
Beim Thema Trittfrequenz ist die Pinion MGU so kalibriert, dass sie ab einer Frequenz von 85 U/min die volle Power liefert. Mit niedrigeren Trittfrequenzen bleibt die Motorleistung etwas geringer. Wobei der Abfall auf knapp über 500 Watt in unseren Messreihen bei 60 Umdrehungen keinen vollkommenen Leistungseinbruch darstellt. Vielmehr gelingt Pinion hier eine harmonische Kopplung der Power an die Trittfrequenz. Das DJI Avinox System koppelt seine Maximalleistung deutlich stärker an die Trittfrequenz als Pinion. Denn dort bekommt man den maximalen Motor Output erst über 100 U/min.
Reichweite
Das Thema Effizienzverlust durch das Getriebe spielt sich mit dem Motor tatsächlich in einem nicht relevanten Bereich ab. Mit einem 800-Wh-Akku klettert das System über 2100 Höhenmeter – damit liegt es im Bereich der stärksten Konkurrenz. Damit agiert Pinion auf Augenhöhe mit den etablierten Platzhirschen und Exoten wie dem Hepha Motor, der als besonders effizient gilt.
Leider haben wir unseren Reichweitentest nicht immer mit derselben Akkugröße durchführen können. Rechnet man aber die Werte der Bosch CX Gen 5 Motoren oder des DJI Avinox Systems aus der Tabelle unten von einem 600er auf einen 800er Akku um, dann landet man auch mit diesen Motoren bei einer vergleichbaren Reichweite.
Fahrcharakter & Schaltung
Die Schaltperformance ist für ein Getriebe beeindruckend. Normalerweise muss man bei Getriebeschaltungen am Fahrrad immer deutlich Druck vom Pedal nehmen, wenn man den Gang wechseln will. Das ist bei der MGU nicht der Fall. Gänge lassen sich sogar unter Volllast wechseln – nicht immer butterweich, aber extrem schnell.
Wer einen Schaltvorgang über den elektronischen Hebel auslöst, bekommt unverzüglich das Ergebnis serviert. In Sachen Schaltgeschwindigkeit ist die MGU schneller als alle anderen Kettenschaltungen, die wir je getestet haben. Natürlich kann auch im Stand geschaltet werden.
Während die Gangwechsel von 1-4 smooth ablaufen, fällt der Gangsprung von 4 auf 5 und auch der von 8 auf 9 etwas rau aus. Hier wechselt das Getriebe intern den Ritzelblock, auf dem es arbeitet. Und dieser Wechsel kann unter Volllast dazu führen, dass man wenige Grad ins Leere tritt, bevor der Widerstand wieder eingreift. Auch akustisch sind die beiden “Blockwechsel” deutlich zu hören.
Mit 12 Gängen liefert man den Status Quo der Branche. Die 600 % Bandbreite sind allerdings deutlich größer als bei Kettenschaltungen, die im Highend-Bereich in etwa bei 520 % liegen. Der ein oder andere Gangsprung fällt deshalb auch größer aus, als man das gewohnt ist.
Automatikfunktionen
Die Automatikfunktionen sind ein Highlight, die so kein anderer Hersteller bietet. Dabei hat man die Wahl zwischen verschiedenen Funktionen:
Zum einen kann man per App einen Gang auswählen, den das Getriebe einlegen soll, wenn man steht und wieder losfährt. Pinion beschreibt das als Start.Select Funktion.
Mit der Pre Select Funktion kann man eine Wunschtrittfrequenz auswählen. Wenn man bergab auf dem Trail rollt, hält das Getriebe immer den richtigen Gang parat, der zur Geschwindigkeit passt, um die Wunschtrittfrequenz zu erreichen. Alles nett. Aber die Autoshift Funktion schießt den Vogel ab.
Die Autoshift + Funktion ist tatsächlich eine Vollautomatik, die sich selbst kalibriert und automatisch Gänge anpasst. Klingt erstmal gruselig für sportliche Fahrer, funktioniert in der Praxis aber erstaunlich gut – vor allem auf flowigen Trails oder langen Anstiegen. Technische Passagen erfordern manchmal manuelles Eingreifen, was aber jederzeit und ohne An- oder Abschalten einer App möglich ist. Der Schalthebel bleibt auch in der Autoshift + Funktion immer bedienbar.
Insgesamt reduziert das System mit all seinen Automatikfunktionen die Komplexität beim Biken spürbar. Alte Hasen auf dem Bike werden so manche Funktion als überflüssig bezeichnen. Einsteigern in dem Sport hilft es einfach brutal, sich aufs Biken und nicht aufs Schalten zu konzentrieren.
Gewicht & Handling
Mit gut 4 Kilo ist die MGU schwerer als ein Bosch CX – aber: Schaltwerk und Kassette fallen weg. Rechnet man das raus, beträgt das Mehrgewicht unterm Strich nur rund 270 Gramm. Verkraftbar, denn im Gegenzug fällt sämtliche Wartung im Alltag weg.
Dazu sitzt die Masse tief und zentral im Rahmen, was dem Handling zugutekommt. Gleichzeitig wird die ungefederte Masse am Hinterbau deutlich reduziert – ein spürbarer Vorteil fürs Fahrwerk, den vor allem sportliche Fahrer in der Abfahrt spüren werden. Denn so kann die Hinterradfederung einfach deutlich sensibler arbeiten.
Sound & Alltag
Im Uphill variiert der Geräuschpegel je nach Gang: In leichten Gängen 1-4 ist die MGU lauter, in schweren Gängen 9-12 ist sie dafür fast unhörbar. In den mittleren Gängen 5-8 liegt das System in etwa auf dem Niveau von vielen Full Power Motoren wie z.B. einem EP801 oder auch einem Bosch CX. Insgesamt bewegt sich das System zwischen „leiser als Bosch“ und „deutlich hörbar“. Bergab bleibt es dagegen absolut ruhig – kein Kettenschlagen, kein Geklapper.
Die Wartungsfreundlichkeit ist top: Ein Ölwechsel alle 10.000 km, dazu ein Riemenantrieb statt Kette – das senkt die Servicekosten und erhöht die Alltagstauglichkeit deutlich.
Pro
- Kombination aus Motor und Getriebe spart Verschleißteile
- Leistung und Reichweite auf Top-Niveau
- Sehr gutes Fahrwerkshandling dank geringer ungefederten Masse
- Automatik- und Schaltfunktionen einzigartig auf dem Markt
- Extrem wartungsarm (Ölwechsel nur alle 10.000 km)
Contra
- Deutlich hörbar in leichten Gängen
- Nicht alle Gangwechsel sind gleich smooth (bes. bei internen Blockwechseln).
- Preis: aktuell fast nur in Bikes ab 8.000 € verbaut
Fazit zur Pinion MGU
Die Pinion MGU ist kein halbgarer Prototyp, sondern ein ernstzunehmender Gamechanger. Leistung und Reichweite sind konkurrenzfähig, die Automatikfunktionen heben das Fahrerlebnis auf ein neues Level, und die Wartungsfreundlichkeit ist überragend.
Ja, sie ist teurer und in leichten Gängen lauter als die Konkurrenz – aber sie reduziert Komplexität und Verschleiß und bringt echte Vorteile beim Handling. Für viele Fahrer könnte die MGU die Zukunft des E-MTBs sein. Pinion liefert mit seiner MGU eine wirkliche Innovation, an der sich Branchenriesen wie Shimano aktuell die Zähne ausbeißen. Wenn Pinion hier noch an Details arbeitet, schrumpfen die Argumente für eine Kettenschaltung wie das Eis am Nordpol. Für Traditionalisten mit Fokus auf Gewicht und Preis bleibt die MGU vorerst aber ein Exot im Highend-Segment.






