Bulls Sonic Evo AM SL im Test
Das Bulls Sonic Evo AM SL 3 kombiniert Eigenschaften, die bisher kein Hersteller kombinieren konnte. Das Bike hat einen dicken Motor, einen 725 Wh Akku und wiegt trotzdem unter 21 Kilo. Gibt es an dem Gesamtpaket auch einen Haken?
Bei anderen Herstellern wird es teurer.
Vergleicht man die Fakten, findet man ähnliche Angebote im Markt nur oberhalb der 10.000 € Grenze. Bulls beweist also Geschick bei der Konstruktion und Spezifikation des Bikes. Unser standardisierter Preis/Leistungs-Check, den wir zu allen Bikes auf dem Markt abgeben, schlägt hier auffällig stark Richtung “hervorragend” aus.
Ein Schlüssel für das exzellente Gewicht liegt mit Sicherheit im Rahmen. Zum Carbon-Hauptrahmen gesellt sich nicht nur ein Carbon-Hinterbau, ja sogar der Umlenkhebel ist aus Carbon. Sogar der Akku hat eine Carbon-Hülle. Hier hat Bulls geklotzt.
Und auch die Ausstattung erlaubt sich auf der Waage keinen Fauxpas. Eine standfeste Vierkolben-Bremsanlage, ein fähiges Fahrwerk und leichte haltbare Laufräder. Der gesamte Radsatz mit Reifen, Scheiben und Kassette wiegt gerade mal 4680 Gramm. Das ist richtig leicht. Klar ist aber auch: Mit nur 140 mm Federweg und Schwalbes Nobby Nic Reifen ist der Einsatzbereich nicht auf den Hardcore Trail Einsatz ausgelegt.
Clevere Details machen den Unterschied
Ein Highlight für die Nutzung im Alltag: Der Frontscheinwerfer, der unter dem Vorbau via Monkey Link einfach eingeklipst werden kann. Über Kontakte in der Halterung wird dieser direkt vom großen Akku im Hauptrahmen gespeist.
Zweckmäßig ist auch die Kettenführung und vor allem der üppig dimensionierte Kettenstreben-Protektor, der dafür sorgt, dass das Rad auch in ruppigem Gelände wirklich leise bleibt.
Die elektronische Schaltung ist nett, aber kein Game-Changer
Geschaltet wird mit der neuen elektronischen XT-DI2-Schaltung von Shimano. Die kann direkt mit dem Motor kommunizieren und bietet deswegen zwei neue Features, nämlich Free-Shift und Auto-Shift.
Der Free-Shift-Modus ermöglicht zu schalten, ohne zu treten. Denn wenn man schaltet, während die Kurbelarme waagerecht stehen, setzt der Motor ein, treibt die Kette an, sodass die Kette hinten am Ritzelpaket auf den nächsten Gang wandern kann.
Der Auto-Shift-Modus ist, wie der Name schon sagt, ein Automatik-Modus für die Schaltung. Denn die elektronische Schaltung kommuniziert mit dem Motor und erkennt, dank der Sensorik im Motor, in was für einer Fahrsituation man sich befindet. Heißt, der Motor misst das aktuelle Drehmoment und ein Neigungsmesser sagt, ob es berghoch oder bergrunter geht. Dementsprechend kann der Motor in einen leichteren oder schwereren Gang schalten.
Die Free-Shift-Funktion war auf dem Trail wirklich nützlich. Denn schalten zu können, ohne zu treten, hilft in vielen Fahrsituationen, um für das Bevorstehende den richtigen Gang zu haben. Die Auto-Shift-Funktion konnte uns dagegen nicht so richtig überzeugen. Das Gefühl, hier einen großen Teil der Kontrolle an den Computer abzugeben, passt irgendwie nicht so zum sportlichen Ansatz, den wir in unseren Test immer anliegen lassen. Zumal die Entscheidungen des Systems nur bedingt gepasst haben.
Beim Schaltkomfort muss sich das elektronische Ensemble von Shimano ganz klar hinter der Konkurrenz von Sram einreihen. Denn die Shimano-Schaltung quittiert jeden Gangwechsel mit einem ziemlich lauten Krachen. SRAMs brandneue Eagle-Transmission-Schaltung ist da weitaus leiser. Und auch unter Last schaltet Srams Transmission einfach besser.
Der Shimano EP801 Motor
Der Shimano EP801 ist ein Klassiker unter den EMTB Motoren. Die progressive Leistungsentfaltung und die Tatsache, dass seine Leistung im direkten Verhältnis zur Trittfrequenz steht, geben dem Motor einen sportlichen Charakter.
Schraubt man die Trittfrequenz hoch, geht auch die Leistung des Motors nach oben. Und somit kann man den Motor eben richtig gut mit den Beinen steuern. Ab ca. 80 Umdrehungen, und damit deutlich eher als z.B. beim Bosch SX Motor, stellt sich die maximale Leistungsentfaltung ein.
Leider ist der EP801-Motor sowohl unter Last, als auch beim Bergabfahren deutlich hörbar. Das hochfrequente Surren bergauf ist selbst in tiefen Schotterwegen deutlich hörbar. Das Rasseln des Getriebes in der Abfahrt ist bei vielen EMTBs zu vernehmen, und auch beim Bulls Sonic Evo AM SL 3 nicht zu überhören.
andere E-MTB Motoren im Überblick
Für viele Biker ist der Motor das Kaufentscheidungskriterium Nummer eins. Und hier ist aktuell auch viel Bewegung im Markt. Vor allem der neue Player DJI greift die bisherige Vormachtstellung von Shimano und Bosch mit einem neuen Motor im Full-Power-Segment ordentlich an. Mit dieser Tabelle liefern wir einen schnellen Überblick über die gängigsten Alternativen zum Shimano-Motor und einen Direktlink zu den aktuellsten Bikes mit den jeweiligen Optionen.
Shimano EP801 | Bosch CX | DJI Avionix | Brose Drive S-Mag | |
Leistung (Spitze) | ca. 700 Watt | ca. 700 Watt | ca. 800 Watt (mit Boost-Option kurzfristig auf 1000 Watt) | ca. 700 Watt |
Drehmoment | 85 Nm | 85 Nm | 105 Nm | 90 Nm |
Fahrgeräusch | deutlich hörbar | deutlich hörbar | hörbar | leise dank Riementechnologie |
Getrieberasseln | Getriebe klappert im Trail deutlich hörbar. | Es gibt immer wieder Modelle des Shimano-Motors, die weniger klappern, aber die Mehrheit der Motoren klappert auf dem Trail laut. | in ersten Vorserienmodellen leicht zu hören | leise Dank Riementechnologie |
Akkusysteme | Shimano hat ein offenes Akkusystem, wo jeder Fahrradhersteller eigene Akkus verwenden kann. Die leichtesten Akkus hat hier aktuell Orbea mit 2880 Gramm bei 630 Wattstunden Kapazität. | Bosch-Motoren funktionieren nur mit Bosch-Akkus. Hier wiegt der Powertube 750 ca. 4,4 Kilo. Die 625er Powertube-Version schafft es auf 3,5 Kilo. | Aktuell gibt es einen 600er und einen 800er Akku von DJI, der den Avinox Motor speisen kann. Der 600er Akku wiegt 2,9 Kilo, der 800er Akku schafft es auf 3,7 Kilo. Damit sind die Akkus deutlich leichter als bei Bosch und auf Augenhöhe mit dem Angebot von Orbea. | Brose Motoren funktionieren auch mit Akkus von Drittanbietern. Hier geht Brose den selben Weg wie Shimano und bietet damit deutlich mehr Optionen als DJI und Bosch. |
Link zu den Bikes | Alle Bikes mit Shimano EP801 Motor | Alle Bikes mit Bosch CX-Motor | Alle Bikes mit DJI Avinox Motor | Alle Bikes mit Brose-Motor |
Ein Kletterkünstler unter den E-MTBs
Der verbaute Shimano Motor hat Bums und im Vergleich zu vielen light Motoren auch oben raus den nötigen Punch, um steile Rampen gut hochzuklettern. Und in genau solchen Fahrsituationen blüht das Sonic Evo richtig auf. Denn es ist ein wahrer Kletterkünstler.
Dank des steilen Sitzwinkels sitzt man weit vorne im Rad, bringt also viel Druck aufs Vorderrad und trotzdem hat das Hinterrad richtig viel Traktion. Das liegt auch am sehr feinfühligen Hinterbau, der es ermöglicht, dass das Hinterrad dem Untergrund gut folgt und dadurch immer Traktion hat. Die Kraft des Motors wird super auf den Boden gebracht und deshalb kann man mit dem Sonic Evo auch auf losem Untergrund steile Rampen souverän hochklettern.
Außerdem lässt sich das Rad sehr präzise lenken, weil der Lenkwinkel eben nicht zu flach ist. Das Rad folgt sehr agil den Lenkbewegungen und damit hat man echten Uphill-Flow. Nicht zuletzt kommt der Uphill-Fahrspaß aber natürlich auch durch das geringe Gesamtgewicht des Bikes zustande. Denn dadurch lässt sich das Bike allgemein super lebendig handeln.
Wie viel Fahrspaß steckt in 140 mm Federweg bergab?
Wir waren überrascht, wie viel Fahrspaß tatsächlich in so wenig Federweg stecken kann. Insbesondere der Hinterbau hat uns wirklich begeistert. Auf der einen Seite ist der Hinterbau sehr sensibel, reagiert feinfühlig auch auf kleine Schläge, hat aber eben auch richtig viel Pop und bringt dadurch sehr viel Lebendigkeit ins Bike.
Nach hinten raus baut der Hinterbau viel Progression auf, weshalb man auch bei harten Impacts, bei harten Landungen nicht durchschlägt. Wer den Lenker ordentlich festhält, kann das Bulls auch jenseits seines Einsatzbereichs ganz gut bewegen.
Alles in allem ist das Bulls ein souveräner Abfahrer, das vor allem Fahrern mit aktivem Fahrstil sehr viel Spaß machen dürfte. Aber es ist keine Sänfte, die einem zu Tal trägt. Das Rad verzeiht wenig Fehler. Es ist mehr Sportwagen als komfortables SUV. Wenn das Rad eine Schwäche hat, dann sind es die Reifen. Zumindest je nach Einsatzbereich.
Die Reifen sind leicht und rollen gut, was auf langen Touren sicherlich von Vorteil ist, bergab haben sie aber begrenzten Grip und auch nicht die ultimative Pannensicherheit. Wer viel in anspruchsvollem Gelände unterwegs ist, der sollte hier andere Reifen aufziehen.
Alle Bulls Sonic EVO AM Modelle auf einen Blick
Wir haben für unseren Test auf dem Bulls Sonic Evo AM SL 3 gesessen. Wer die volle Dröhnung in Form des AM SL-I will, muss 10.000 € in der Tasche haben. Wer mit etwas weniger Luxus zurechtkommt, kann sich auch die Sonic Evo AM SL 1 für 5199 € ansehen.
Alle Informationen, einschließlich Geometrie-Tabellen und technischer Daten, zu allen Modellen findet Ihr wie immer auf den jeweiligen Detailseiten:
Fazit zum Bulls Sonic Evo AM-SL 3
Das Bike ist optimal für alle Trail- und Tourenbiker, die keine Lust auf das E-Bike-typische Monster-Truck-Feeling haben. Das Bulls Sonic Evo AM SL ist ein sportliches Full-Power E-Bike, das sich bergab mit messerscharfer Präzision fahren lässt. Ob ausgedehnte Erkundungstouren in den Alpen oder das schnelle Auf und Ab im Mittelgebirge, das Bulls ist ein super Bike für Streckenentdecker und Kurvenflitzer.