Specialized Turbo Levo SL S-Works im Test
Specialized schlägt in die Kerbe zwischen Muskel-Bike und E-Bike. Das Ergebnis ist schwerer als das eine und schwächer als das andere. 14.000 € will der Hersteller für diese Innovation haben. Das Produktversprechen: in Sachen Fahrdynamik so lebendig wie ein Muskel-Bike, aber mit doppelt so viel Bums. Ist das Turbo Levo SL S-Works wirklich das Beste aus zwei Welten?
Das Turbo Levo SL ist eine Klasse für sich: per Definition ein E-MTB – aber eines, das auf das Wesentliche reduziert ist. Light E-MTB heißt diese Klasse. Der kleine Akku fasst 320 Wh. Der Motor unterstützt mit bis zu 50 Nm Drehmoment. Der große Bruder, das Turbo Levo, hat einen mehr als doppelt so großen Akku und schiebt mit satten 90 Nm Drehmoment an. Was die Zahlen angeht, hat das starke Turbo Levo klar die Nase vorn. Es verspricht mehr Reichweite und mehr Bums beim Treten.
Für den Fahrspaß im Gelände ist jedoch ein anderer Wert entscheidend: das Gewicht. Das reduzierte Levo SL wiegt gerade einmal 17,6 kg. Damit ist es 4,9 kg leichter als sein Bruder mit Full-Power-Motor. Beim Fahrgefühl dürfte sich das ungleiche Geschwisterpaar also deutlich unterscheiden. Das leichte Levo SL lässt auf ein lebendiges Fahrgefühl hoffen.
Ein Vergleich in Zahlen: Stumpjumper Evo vs. Turbo Levo SL vs. Turbo Levo
Stumpjumper EVO S-Works (Bio Bike) | Turbo Levo SL S-Works (Light EMTB) | Turbo Levo S-Works (Full Power MTB) | |
Federweg | 160 / 150 mm | 160 / 150 mm | 160 / 150 mm |
Laufräder | Mullet | Mullet | Mullet |
Besonderheit | Staufach im Unterrohr | Range Extender im Trinkflaschen-Format | 90 Nm Drehmoment |
Gewicht | 14,2 kg | 17,6 kg | 22,5 kg |
Preis | 11.000 € | 14.000 € | 13.500 € |
Preisphilosophie: Luxus-Blender oder edles Profi-Werkzeug?
Mit dem Specialized Turbo Levo SL S-Works für 14.000 € verhält es sich wie mit einem Land Rover Defender X für 115.000 €. Beide Fahrzeuge versprechen hervorragende Fahreigenschaften und enorme Strapazierfähigkeit – vor allem in extremem Gelände.
Und noch etwas haben die beiden Luxus-Offroader gemeinsam: Das Herz schreit “Ja”, aber der Verstand schlägt Alarm. Ist es Wahnsinn, solch teure Fahrzeuge in extremes Gelände zu entführen? Wo gehobelt wird, fallen Späne. Weder ein Defender noch der Turbo Levo SL sind davor gefeit. Kommt es beim Levo SL S-Works zum Feindkontakt zwischen Schaltwerk und Stein, sind schnell mal 500 € weg. Das muss man sich leisten können.
Artgerechter Einsatz bedeutet beim Mountainbiken, bei Wind und Wetter durch die Wälder zu pflügen. Sind Ross und Reiter erst einmal eingesaut, hinterlässt der Abrieb zwischen Hosenbein und Oberrohr sichtbare Spuren im edlen mattschwarzen Finish des 14.000 € teuren Levo SL. Der Funktion tut das keinen Abbruch, ärgerlich ist der damit verbundene Wertverlust.
Ausstattung: Was steckt hinter einem Bike für 14.000 €?
Die Ausstattung des Specialized Turbo Levo SL S-Works ist edel. Ein Fox Factory Kashima-Fahrwerk – das Beste, was der kalifornische Fahrwerkshersteller zu bieten hat. Eine elektronische SRAM XX Transmission Schaltung – der teuerste Antriebsstrang im Portfolio der Schweinfurter Schaltungsspezialisten.
Und eine innovative Teleskop-Sattelstütze, die via Funk vom Lenker aus gesteuert wird. Die Spezifikation ist eine Auswahl feinster Komponenten, die sich in Funktion und Qualität bewährt haben. Außergewöhnlich sind die Teile aber nicht. Es ist „Massenware“.
Viele Komponenten des Levo SL S-Works werden auch in zig Modellen anderer Hersteller verbaut – und die sind oft günstiger zu haben. Ein gleichermaßen hochwertiges Santa Cruz Heckler SL CC für 13.000 € Listenpreis fällt 1.000 € günstiger aus. Der spanische Premium-Hersteller Mondraker unterbietet den Preis des Levo SL S-Works sogar um 2.000 €. Das Neat RR SL ist für 12.000 € zu haben.
Der große Unterschied: Santa Cruz und Mondraker setzen auf Motorsysteme von Zulieferern – also von der Stange. Specialized dagegen hat ein eigenes System entwickelt.
Was macht das Specialized Turbo Levo SL besonders?
Egal ob Specialized, Santa Cruz oder Mondraker auf dem Unterrohr steht: bei Preisen über 10.000 € dürfen die Erwartungen hoch sein. Doch an keinem der Bikes finden sich Edelteile aus Kleinstserien. Keine Direttissima Bremsen von Trickstuff und auch keine Superleicht-Laufräder von Beast Components. Stattdessen recht konventionelle SRAM Code RSC Bremsen und Laufräder von Specializeds Hausmarke Roval. Was also macht das Turbo Levo S-Works so besonders?
Ein erstes Alleinstellungsmerkmal des Turbo Levo SL ist sein Gewicht. Mit nur 17,6 kg ist das Specialized ein wahres Leichtgewicht. Es gibt noch leichtere Bikes, aber eine harte Gangart in fiesem Gelände verkraften solche Leichtgewichte nicht. Das Specialized schon. Ein so leichtes E-MTB zu bauen, das auch noch robust ist, erfordert viel Know-how.
Die Haltbarkeit des Levo SL unterstreicht Specialized mit einer ASTM-Zertifizierung in Kategorie 4 – All Mountain. Wer sein Bike registriert, erhält als Erstbesitzer sogar eine lebenslange Garantie auf den Rahmen.
Geometrie: Wenn’s passen soll – Specialized "Rider-First Engineered"
Das Turbo Levo SL gibt es in sechs Rahmengrößen. Das ist viel. Zum Vergleich: Das bereits erwähnte Heckler SL ist in fünf Größen erhältlich – das Mondraker Neat SL nur in vier Rahmengrößen. Cube liefert viele Modelle sogar nur in drei Rahmengrößen aus. Viele Größen bedeuten viele Rahmenformen – und das ist teuer. Ein kostspieliger Luxus, den sich nur wenige Hersteller leisten können.
Hinzu kommt, dass jede Größenvariante eigenständig entwickelt wird. Das Carbon-Layup – also die Lage und Größe der Kohlefasermatten – wird für jede Rahmengröße individuell berechnet. So wird die Steifigkeit des Rahmens perfekt auf das Gewicht des Fahrers abgestimmt. Ob leicht oder schwer – alle Fahrer sollen die gleiche Fahrdynamik spüren, so das Versprechen.
Die Wahl der Rahmengröße ist bei Specialized – anders als sonst üblich – nicht von der Sitzrohrlänge abhängig. Fahrer sollen sich am gewünschten Fahrverhalten orientieren – also an der Rahmenlänge. Wendig oder laufruhig? Kurz oder lang? Wie sich das Rad fährt, hängt vom Radstand ab. Specialized nennt das “Style-specific sizing” und teilt die Größen von S1 bis S6 ein. Die richtige Sitzposition (Sattelhöhe) lässt sich teilweise in bis zu drei verschiedenen Größen einstellen.
Auch bei der Fahrwerksabstimmung geht Specialized ins Detail. Die Fox-Dämpfer kommen mit einer eigens auf die Hinterbaukinematik abgestimmten Grundeinstellung – dem sogenannten Tune. Specialized geht sogar noch einen Schritt weiter und verpasst den kleinsten Rahmengrößen nochmals einen eigenen Tune.
Hausgemacht: Entwicklungstiefe vom Rahmen bis zum Felgenband
Mit Laufrädern, Reifen und Lenker aus eigener Entwicklung will Specialized Alleinstellungsmerkmale liefern. Die hauseigenen Laufräder sind knüppelhart eingespeicht und sollen entsprechend langlebig sein. Trotz härtester Beanspruchung blieb die Speichenspannung im Test konstant.
Der Traverse SL Laufradsatz wiegt 1.700 Gramm. Kein Spitzenwert, aber im Verhältnis Gewicht zu Haltbarkeit immer noch top. Komplett mit Reifen, Bremsscheiben und Kassette wiegt der Laufradsatz nur 4.170 Gramm. Enttäuschend ist allerdings, dass Specialized einen noch besseren Laufradsatz in petto hat. Das knapp 100 Gramm leichtere Traverse SL II bleibt den Levo SL S-Works Kundinnen und Kunden leider vorenthalten.
Um das erstklassige Gesamtgewicht des Laufradsatzes zu erreichen, bedient sich Specialized auch eines kleinen Tricks: Das kleine 27,5-Zoll-Hinterrad der Mullet-Laufradpaarung spart gegenüber reinen 29ern wertvolle Gramm. Übrigens: Auch auf die Laufräder mit ihren 30 mm breiten Carbonfelgen gibt Specialized eine lebenslange Garantie.
Preistreiber Innovation: Vorreiter der Light E-MTBs – das Turbo SL Motorsystem
Das kompakte Motorsystem namens Turbo 1.2 SL ist nicht etwa zugekauft, sondern wie viele Teile des Levo SL, selbst entwickelt. Alles kommt aus eigener Hand: Der Controller, das ins Oberrohr eingelassene Display und sogar die Motorsoftware samt App kommen aus der Specialized Turbo Unit. Die „Turbo Unit“ ist mehr als nur eine Abteilung bei Specialized. Sie ist eine eigenständige Niederlassung mit Sitz in der Schweiz.
Fernab vom kalifornischen Hauptquartier tüfteln Produktmanager und Ingenieure im schweizerischen Cham an der Zukunft des E-Bikes. Hier entstand auch der erste Turbo SL Motor, der als kompaktes Leichtgewicht eine neue Ära für E-Biker einläutete.
Generation zwei des Motors hat es in sich: Leiser. Leichter. Stärker. Gerade einmal 1,9 Kilogramm wiegt der Motor. Sein Formfaktor ist so kompakt, dass man dem Turbo Levo SL auf den ersten Blick nicht ansieht, dass es sich um ein E-Bike handelt. Gewichtsmäßig liegt der Motor auf dem Niveau des deutlich schwächeren TQ HPR 50 und des deutlich stärkeren Fazua Ride 60.
Mit 320 Watt Leistung und bis zu 50 Nm Drehmoment unterstützt der Turbo 1.2 SL vor allem beim Anfahren kraftvoll. Der Motor reagiert schnell und feinfühlig auf Anfahrimpulse. Anfahren am Berg oder auf losem Untergrund? Kein Problem. Es scheint, als stünden die 50 Nm Drehmoment aus dem Stand zur Verfügung. Hat der Motor den Fahrer aber erst einmal beschleunigt, spürt man die geringe Maximalleistung. Nach oben hin fehlt dem Motor der “Punch” – da hilft auch eine hohe Trittfrequenz nicht. Die Stärke des Motors liegt in der gleichmäßigen und konstanten Unterstützung.
Flüsterleise ist der Motor nicht – aber angenehm, weil unaufdringlich. Im Gegensatz zum hochfrequenten Surren anderer E-Bike-Motoren gibt der Specialized-Motor ein eher gedämpftes Brummen von sich. Auf Schotterwegen vermischt sich das Motorgeräusch mit dem Abrollgeräusch der Reifen und verschwindet aus der Wahrnehmung.
Software ist Trumpf
Neben all den technischen Hardfacts will Specialized auch bei der Bedienung Maßstäbe setzen. Per App wird das Bike mit dem Smartphone vernetzt. Auf der eigens entwickelten Specialized App lässt sich das System kinderleicht, aber ohne überflüssige Spielereien auf die individuellen Bedürfnisse des Fahrers einstellen. Wer trotz Motorunterstützung ein natürliches Fahrgefühl sucht, wird hier fündig.
Die Motorcharakteristik ist kraftvoll, aber kultiviert, ja geradezu zurückhaltend. Vom Ein- und Auskuppeln ist nichts zu spüren. Auch nicht, wenn man ab 25 km/h aus der Unterstützung herausgleitet. Das Konzept geht auf: Der ganzheitliche Ansatz des selbst entwickelten Motorsystems überzeugt durch intuitive Bedienung und ein auffallend unauffälliges Fahrerlebnis.
50 Nm Drehmoment: Kommt da Fahrspaß auf?
Wenn Kindern am Berg die Puste ausgeht, dann kommt von hinten Papas helfende Hand. In etwa so fühlt sich die Leistung des Turbo 1.2 SL Motors an. Die Unterstützung ist deutlich spürbar. Im Uphill liegt der Zeitvorteil gegenüber einem Bike ohne Motor bei bis zu 200% – man kann also doppelt so schnell den Gipfel erklimmen.
Über Straßen und Schotterwege kommt man zügig bergauf. Vorausgesetzt man tritt sportlich mit. Was nicht funktioniert: Ausruhen und den Motor die Arbeit machen lassen. Bei Full-Power-Bikes genügt es, die Kurbeln in der stärksten Unterstützungsstufe entspannt drehen zu lassen, und das Bike schießt ohne viel Zutun des Fahrers den Berg hinauf. Nicht so beim Specialized: Wer nicht kräftig in die Pedale tritt, kommt nur im Schneckentempo nach oben.
Bei steilen, technischen Anstiegen stößt der kleine Mittelmotor an seine Grenzen. Will man aus engen Kehren oder über Geländekanten zügig beschleunigen, fehlt dem Motor die nötige Spitzenleistung. Uphill-Flow im technischen Gelände sucht man vergebens. Wem der direkte Vergleich zu einem Full-Power-E-Bike fehlt, wird trotzdem überrascht sein, wie kräftig die elektrische Variante die helfende Hand anschieben kann.
Treten ohne Unterstützung: Geht das gut?
Auch ohne Motorunterstützung lässt sich das Levo SL sehr gut treten. Ein Mehraufwand durch Reibungsverluste im Motor – nicht zu spüren. Das Levo SL tritt sich wie ein schweres Enduro, wobei die straffe Federung im Vergleich sogar weniger Tretkraft schluckt und auch die Reifen besser rollen. Reichweitenangst ist also unbegründet – mit dem Levo SL lassen sich problemlos auch längere Strecken ohne Motor zurücklegen (aus eigener Erfahrung).
Akkukapazität: Hoch. Höher. Turbo Levo SL
1.200 Höhenmeter am Stück: Vom Start weg im Turbo-Modus kletterte das Levo SL in unserem Test in nur 60 Minuten 1.200 Höhenmeter hinauf. Die zurückgelegte Strecke: 9,2 Kilometer. Das sind durchschnittlich 13 % Steigung. Die steilste Stelle des langen Uphills misst 19,5 % Steigung. War der Akku leer? War er nicht.
Die gewählte Strecke besteht zu 90 % aus Asphalt. Die Reifen waren auf 1,5 bar aufgepumpt, der Dämpfer offen und der Flaschenhalter leer – also kein Range Extender montiert. 78 kg brachte unser Tester auf die Waage. Nach 1.200 Höhenmetern betrug die Restkapazität der Batterie laut Display noch 13 %. Bei 1.245 Höhenmetern war der Akku auf 10 % gesunken und das System schaltete in den Energiesparmodus.
1.245 Höhenmeter im Turbo-Modus sind für ein E-MTB mit kleinem 320-Wh-Akku eine echte Kampfansage. Schweiß kostete der Reichweitenhöhentest unseren Tester aber schon. Wer es weniger sportlich angeht und sich mit dem Eco-Modus begnügt, kommt deutlich weiter.
Zurück am Startpunkt im Tal hatte die Batterie noch 8 % Restkapazität. Dort wartete der Range Extender: Der liefert weitere 160 Wh und ließ die Akkuanzeige von 8 % auf 55 % springen. 1.800 Höhenmeter – mit Range Extender und angepasster Fahrweise kein Problem.
Wohlfühlfaktor: Wie fühlt sich das Turbo Levo SL an?
Die Sitzposition des Levo SL ist weniger aufrecht als die vieler Mitbewerber. Man sitzt zentral im Bike, aber nicht so nah am Cockpit, wie man es von vielen E-MTBs mit ihren steilen Sitzwinkeln gewohnt ist. Man merkt dem Specialized seine sportliche Auslegung deutlich an. Der Sitzwinkel ist mit 75,8 Grad fast 1 Grad steiler als der Durchschnitt in der All Mountain-Klasse.
Mit 1,81 Körpergröße sitzt das Specialized in Größe S4 wie angegossen. Die Druckverteilung zwischen den Auflagepunkten ist ausgewogen – weder Gesäß noch Hände machen Probleme. So kann man stundenlang bequem im Sattel sitzen. Dank der sportlich angehauchten Sitzposition lässt sich bestens Druck aufs Pedal bringen. Bei Full Power E-Bikes ist das weniger wichtig. Doch Turbo Levo SL Piloten profitieren enorm von der Tritt-Effizienz.
Der Hinterbau arbeitet auch bei hoher Belastung des Antriebsstrangs aktiv und erzeugt viel Grip am Hinterrad. So machen auch moderate Singletrail-Anstiege richtig Spaß. Aufsitzen. Wohlfühlen. Krachen lassen! Das Specialized Turbo Levo SL S-Works ist ein Rennpferd für Nicht-Reiter. Es fährt sich intuitiv und gutmütig, aber keineswegs langweilig. Das Turbo Levo SL fährt sich enorm lebendig.
Jenseits des Motors: So fährt sich das Levo SL auf dem Trail und im Downhill
Wie ein fliegender Teppich gleitet das Turbo Levo SL durchs Gelände. Zumindest, wenn der Fahrer sich traut, die Bremsen zu lösen. Das Fahrwerk ist sportlich straff abgestimmt. Feine Schläge nimmt der Hinterbau daher etwas unsensibel auf. Es braucht schon etwas Wumms, damit das Fahrwerk aktiv wird. Lässt man es laufen, dann liegt das Specialized satt auf dem Trail.
150 mm Federweg weist Specialized dem Levo SL am Heck aus. Typisch All Mountain. Bergab aber fährt sich das leichte E-Bike eher wie ein Enduro. Da kommt Freude auf. Sobald die Beschleunigung von der Hangabtriebskraft übernommen wird, blüht das Turbo Levo SL auf. Im Downhill begeistert das Rad mit einem intuitiven und berechenbaren Handling. Der Grip an Vorder- und Hinterrad ist gut ausbalanciert – die Achslastverteilung wirkt entsprechend ausgewogen. Das Bike fährt sich gutmütig und vermittelt Sicherheit.
Das Specialized scheint wie geschaffen für schnelle Richtungswechsel. Das Vorderrad führt – das Hinterrad folgt. Der Grund für das souveräne Kurvenhandling liegt in der unterschiedlich großen Laufradpaarung. Durch das kleinere 27,5”-Hinterrad sitzt die Hinterachse etwa eine Daumenbreite tiefer als die Vorderachse, auf der sich ein großes 29”-Vorderrad dreht. Das kleinere Hinterrad macht das Rad sehr wendig.
Auffällig ist die Laufruhe – vor allem am Vorderrad. Einer der Gründe: der 50 mm lange Vorbau – heute fast schon eine Seltenheit bei Rädern dieser Klasse. Der Vorbau bringt dem Rad mit seinem flachen 64,7° Lenkwinkel viel Spurstabilität am Vorderrad. Wie auf Schienen zieht das Turbo Levo SL durch Kurven – auch bei niedrigen Geschwindigkeiten. Andere Bikes mit kürzeren Vorbauen outen sich in solchen Situationen oft mit Nervosität am Vorderrad.
Trotz seines ruhigen Charakters fühlt sich das Levo SL lebendig an und lässt sich leichtfüßig vom Boden abheben. An Absätzen und Geländekanten geht das Bike bereitwillig in die Luft. Behäbiges E-Bike-Feeling gibt es auf dem 14.000 € teuren Rad nicht.
Grenzbereich: Was kann das Turbo Levo SL und was nicht?
Hämmert man durch grobes Gelände, fühlt sich das Heck nach mehr als den angegebenen 150 mm Federweg an. Selbst schnelles Schlagstakkato über Wurzelteppiche und Steinfeldern bügelt das Fahrwerk souverän weg. Nur bei harten Landungen hat der Hinterbau wenig entgegenzusetzen und man muss ein Durchschlagen des Federbeins in Kauf nehmen.
Im extremen Gelände wirkt das Turbo Levo SL wie aus einem Guss. Auf langen Abfahrten und in steilem Gelände fehlt es der Code RSC Bremse allerdings spürbar an Bremskraft. Eine stärkere Bremsanlage oder zumindest eine größere 220er Bremsscheibe am Vorderrad wären für mehr Bremskraft sehr willkommen gewesen. Auch etwas dickere Reifen als die verbauten 2.3er hätten den Fahrspaß auf den italienischen EWS Trails in Finale Ligure durchaus erhöht.
Das Turbo Levo SL ist weder ein sänftenartiges Tourenbike, das seinen Fahrer durch die Landschaft schweben lässt, noch ein reinrassiger Downhill-Spezialist. Das Specialized ist ein enorm breit aufgestellter Allrounder, der nichts perfekt, aber vieles verdammt gut kann. Ein echtes Trail-Bike eben.
Auffällig
- Das Bike ist leise: Das gedämpfte Motorgeräusch verschwindet schnell aus der Wahrnehmung, und die Kettengeräusche werden vom großzügig dimensionierten Kettenstrebenprotektor gut absorbiert.
- Die Konfiguration der Motorcharakteristik über die Specialized App ist intuitiv und kinderleicht zu bedienen.
- Der Range Extender im praktischen Trinkflaschenformat trägt kaum auf und verlängert die Reichweite deutlich.
- Light is king: Auch E-Mountainbikes können die Gesetze der Physik nicht überlisten. Mit nur 17,6 kg begeistert das Turbo Levo SL S-Works mit einer Agilität, die man von E-Bikes nicht gewohnt ist.
- Das E-Bike über Weidezäune heben – oder auf den Heckträger am Auto: ein Kraftakt. Je leichter, desto besser. Der Gewichtsunterschied des Levo SL von 4 kg gegenüber dem Full Power-Pendant Turbo Levo ist deutlich zu spüren.
Pro
- Durch und durch intuitiv: in der Bedienung wie beim Fahren
- Ausgewogenes Handling mit Wohlfühlgeometrie
- Leicht, trotz robuster Anbauteile
- Enorm breiter Einsatzbereich – von Tour bis Enduro
- Tritt sich auch ohne Motorunterstützung sehr gut
Contra
- Verdammt teuer
- Bremsen für schwere Fahrer zu schwach
- Mäßiger Hub der Teleskopsattelstütze
- Leichte Abnutzung des Lacks
Fazit zum Specialized Turbo Levo SL S-Works
Das 14.000€ teure Specialized verführt seinen Fahrer mit einem gefährlich hohen Maß an Fahrspaß. Gefährlich deshalb, weil auch ein 14.000€ teures Bike bei artgerechter Nutzung nicht vor Verschleiß gefeit ist.
Das Levo SL S-Works giert nach Geschwindigkeit und bleibt dennoch spielerisch. Es lässt sich super treten – mit und ohne Motorunterstützung. Bergab fühlt es sich fast wie ein klassisches Enduro ohne Motor an. Hut ab vor dieser Entwicklungsleistung.
Mit eigenem Motor, eigenen Laufrädern, eigenem Größenkonzept und eigener Software beweist Specialized eindrucksvoll sein Know-how im Bau von sportlichen E-MTBs. Und das Beste daran: All das ist auch in den günstigeren Modellvarianten des Levo SL zu finden.