Langzeittest vom Canyon Neuron:ONfly
Beim ersten Test hat das Canyon Neuron:ONfly schon Eindruck hinterlassen: Ein leichtes, wendiges E-MTB, das sich gegen teure Premium-Bikes behaupten kann. Und das ohne utopischen Preis. Aber hat es tatsächlich das Potenzial, unseren Tester Lukas Lamming als Daily Ride zu überzeugen? Wir haben den Enduro-Piloten ein halbes Jahr zum E-Biken verdonnert und hier kommt sein Fazit.



Hat man Gewissensbisse als junger Vollblutbiker, auf ein E-Bike zu steigen?
Für manche ist das Thema tatsächlich noch emotional aufgeladen, als würde man damit das „echte“ Biken verraten. Ich selbst habe E-Bikes jedoch nie verteufelt. Im Gegenteil: Sie gehören für mich längst zur Szene dazu. Sie holen mehr Menschen aufs Rad, eröffnen neue Möglichkeiten und haben sich inzwischen fest im Mountainbike-Bereich etabliert. Und wer sich einmal draufsetzt, kennt dieses Gefühl: das Grinsen im Gesicht kommt ganz automatisch.
Der Extraschub macht einfach Spaß. Gleichzeitig verändert sich das Biken mit Motorunterstützung, es ist fast wie ein eigener Sport. Man kann entspannt jeden Berg hochgleiten oder bei voller Unterstützungsstufe richtig Gas geben und dann kommt man genauso an sein Limit. Was mir nach ein paar Touren direkt klar wurde: Ein E-MTB ist ein vielseitiges Bike. Mehr Abfahrten, effektives Grundlagentraining und schnelle Feierabendrunden sind plötzlich viel einfacher möglich.

Was ist die Motivation, auf ein E-Bike zu steigen?
Es geht nicht um Faulheit, es geht um Möglichkeiten. Ein E-Bike eröffnet Horizonte, die vorher oft an Zeit, Kraft oder Motivation gescheitert sind. Die Feierabendrunde nach der Arbeit wird plötzlich zur echten Trail-Session: gleiche Zeit, aber mehr Höhenmeter, mehr Abfahrten und damit mehr Spaß.
Selbst an Tagen, an denen man sich sonst eher auf die Couch gelegt hätte, fällt der Einstieg mit Motorunterstützung leichter. Die Hürde, überhaupt loszufahren, wird kleiner. Und oft wird aus dem kurzen Ride doch eine überraschend intensive Tour.
Was früher reines Mittel zum Zweck war, wird mit dem E-Bike zur eigenen Disziplin: Der Uphill. Technische Kletterpassagen, enge Kehren und steile Rampen. Bergauf zu fahren bekommt plötzlich eine ganz neue Dynamik und macht richtig Laune. Wer offen für neue Trends ist, entdeckt mit dem EMTB einen frischen Zugang zum Sport, ohne das klassische Mountainbiken zu ersetzen. Für viele wird das E-Bike zum Trainingspartner, zum Zeitersparnis-Tool und vor allem zum Spaßgarant, der mehr aus jedem Ride herausholt.


Wie ist die erste Erfahrung? Werden die Erwartungen erfüllt?
Meine Erwartungen an das erste E-MTB-Erlebnis waren ehrlich gesagt ziemlich hoch. Ich wollte nicht einfach irgendein Bike mit Motor testen, sondern wirklich herausfinden, ob das Konzept E-Mountainbike mit meinem Fahrstil und Anspruch mithalten kann. Dazu war ich mit verschiedensten Bikes unterwegs. Neben diesem Langzeittestbike hatte ich unter anderem mit dem Nox All Mountain und dem Radon Deft mein Vergnügen. Und was soll ich sagen, meine vertrauten Hometrails fühlten sich tatsächlich frisch und neu an.
Der zusätzliche Schub eröffnete ganz neue Linien und Möglichkeiten, die ich zuvor kaum wahrgenommen hatte. Besonders beeindruckt hat mich das Gefühl, nach der Arbeit einfach für eine Stunde Vollgas geben zu können. Ohne große Planung oder Motivationstief, einfach rauf aufs Bike, Trails ballern, den Sonnenuntergang mitnehmen. Das Canyon Neuron:ONfly hat sich vor allem dabei bewährt. Bei längeren Einsätzen kommt es mit seinem kleinen 400er Akku schnell ans Limit.
Mit seinen 140 mm Federweg fährt es sich sehr agil und spielt seine Stärken auf flowigen Strecken und in engen Kurven voll aus. Solange man es nicht im groben Bikepark einsetzt, liefert es eine top Performance. Sogar im Dirtpark auf einer Kickerline hat es mich positiv überrascht und richtig Spaß gemacht.

Light oder Full Power EMTB, was ist besser für Neueinsteiger?
Ein spannender Aspekt im Test war auch der Vergleich zwischen Light-EMTBs und Full-Power-Modellen. Light-EMTBs kommen dem klassischen Mountainbike-Gefühl deutlich näher: leichter, direkter, mehr Eigenleistung. Doch wechselt man auf ein Full-Power-Bike, merkt man sofort: Da geht noch mehr. Mehr Leistung, mehr Reichweite, aber eben auch deutlich mehr Gewicht.
Das getestete Canyon kommt mit einem 400 Wh Akku, der im Turbo-Modus nach etwas über einer Stunde leer war. Rund 800 Höhenmeter sind damit realistisch, dann ist Schluss. Für längere Touren oder technisch fordernde Tage ist das etwas knapp bemessen. Hier könnte man den Range-Extender einsetzen. Denn die 800 hm im Gelände sind schon eine harte Begrenzung, wenn man nur ein Bike in der Garage stehen hat. Mit wenig Leistung kann man leben. Wenig Reichweite ist mitunter aber ein Dealbreaker für viele Light EMTBs.


Konnte mich das Neuron:ONfly überzeugen?
Die größte Schwäche war für mich ganz klar die Reichweite. Mit nur 400 Wh Akku war bei sportlicher Fahrweise nach etwas mehr als einer Stunde Schluss. Im direkten Vergleich mit einem Yeti Light-EMTB war mein Akku schon fast leer gefahren, während das Yeti MTe (mit dem Ludwig bei einer gemeinsamen Tour unterwegs war und das einen 580 Wh Akku hat) noch rund 40 % Restkapazität hatte. Das zeigt, dass Reichweite gerade bei Light-EMTBs ein entscheidender Faktor ist. Und in meinem Fall hätte der Spaß gerne noch etwas länger andauern dürfen.
Trotzdem hat das Neuron:ONfly sehr viel richtig gemacht. Für schnelle Afterwork-Rides war es eine echte Revolution. Es ist eines der preiswertesten Light-EMTBs auf dem Markt, fühlt sich auf dem Trail aber keineswegs billig an. Im Gegenteil: Das Fahrgefühl kam meinem Enduro überraschend nahe, was vielleicht auch daran liegt, dass mein Raaw Madonna kaum leichter ist als das Canyon.
Mit seinen 140 mm Federweg war das Neuron ideal für meine heimischen Trails – verspielt, agil und dennoch sehr laufruhig. Ein deutliches Knarzen an der Gabelkrone war zwar da, dafür kann Canyon allerdings nichts, das liegt am Hersteller der Gabel und dürfte in einem Reklamationsverfahren sicher behoben werden.
Alles in allem hat das Bike nicht nur von sich, sondern insgesamt vom elektrischen Biken überzeugt. Ich war nie ein E-Bike-Gegner, aber nach diesem Test bin ich definitiv ein Fan. Gerade Light-EMTBs finde ich spannend, weil sie das klassische Fahrgefühl bewahren, aber mit mehr Möglichkeiten verbinden. Auch wenn der Akku nicht für epische Tagestouren reicht, war das Neuron:ONfly ein starker Begleiter auf den Regensburger Trails.

So haben sich die Komponenten des Canyon Neuron im Dauertest geschlagen
In meinem Test hat sich gezeigt: Nicht jedes teure High-End-Teil ist zwingend notwendig, aber ein paar Komponenten machen den Unterschied, vor allem beim E-MTB, wo höhere Belastungen auf das Material wirken. Ein Display habe ich beim Neuron:ONfly nicht vermisst. Die minimalistische Anzeige von Akkustand und Unterstützungsmodus war für meine Bedürfnisse völlig ausreichend: schlicht, übersichtlich, funktional. Das Testbike war in der günstigsten Ausstattungsvariante unterwegs, und dafür hat es sich ordentlich geschlagen. Die Shimano Deore M6100 Schaltung hat ihren Job stets zuverlässig erledigt, auch wenn’s ab und zu laut im Gebälk kracht beim Schalten. Langfristig kann sich hier aber ein Upgrade lohnen, um Verschleiß und Fehlfunktionen zu minimieren.
Die Sram Code R Bremsen waren für mein Körpergewicht kraftvoll genug, standfest und gut dosierbar. Sie haben mir jederzeit ein sicheres Gefühl gegeben. Die Rodi Tryp 30 Evo Felgen wirkten leider eher schwer und hatten bereits nach kurzer Zeit einen leichten Schlag. Hier zeigt sich, dass bei der günstigeren Ausstattung gespart wurde. Für aggressive Fahrer oder schwereres Gelände könnte das schnell ein Schwachpunkt werden. Das verbaute Rock Shox-Fahrwerk hat mich positiv überrascht. Klar, es bietet eher wenige Einstellmöglichkeiten, aber dafür ist es unkompliziert, funktioniert solide und passt gut zum Charakter des Bikes. In dieser Preisklasse absolut fair.
Der Bosch SX Motor macht ordentlich Druck, wirkt manchmal allerdings etwas laut, vor allem im Vergleich zu anderen Light-Motoren. Und bei langen Anstiegen von 300 hm und mehr geht er auch reproduzierbar ins Derating. Das heißt, er verringert seine Leistung aufgrund von Hitze. Hier könnte das Motorcover von Canyon mit Schuld sein, dass relativ wenig Luft an den Motor rankommen lässt. Die Ausstattung ist in der Preisklasse ziemlich unschlagbar, wer etwas mehr braucht, kann zum teureren Modell greifen oder nach und nach selbst upgraden.


Das hat sich im Langzeittest bewährt
- keine größeren Ausfälle trotz günstiger Ausstattung
- handliches Fahrverhalten dank wenig Federweg und Gewicht
- minimalistisches Konzept ohne Display-Schnickschnack
Das hat beim Dauertest des Canyon Neuron:ON Fly genervt
- Bosch SX Motor ist relativ laut beim Unterstützen
- Bosch SX-Motor klappert laut im Trail
- Akku ist mit 400 Wh echt klein (ca. 800 hm bei Vollgas möglich)
- Gabelkrone knarzt laut (Reklamationsfall)
Was Lukas als EMTB-Neuling generell tierisch an aktuellen EMTBs nervt, verrät er in einem separaten Artikel.

Fazit
Zurück zur Ausgangsfrage: Würde ich mir ein E-MTB in die Garage stellen?
Ganz klar: Ja, wenn ich es mir leisten kann. Ein E-Bike ist mit Sicherheit keine günstige Anschaffung, aber definitiv eine der spaßigsten, die man als Mountainbiker machen kann. Es erweitert nicht nur den persönlichen Horizont auf dem Trail, sondern verändert auch die Art, wie und wann man fährt. Das E-Bike ersetzt in keiner Weise das normale Mountainbiken, es erweitert es. Mit Ausnahme vom kleinen Akku konnte mich das Canyon Neuron On:fly tatsächlich voll überzeugen. Ich habe keinen Haken gefunden, der mit attraktivem Preis einhergeht.