US-Kult trifft E-Bike-Feinschliff

Yeti MTe im Test

Mit dem MTe bringt Yeti ein EMTB auf den Markt, das in Sachen Technik, Design und Trail-Charakter Maßstäbe setzen will – allerdings zu einem stolzen Preis. Wir haben das 12.500 € teure Traumbike mit dem neuen TQ-HPR60-Antrieb auf dem Trail getestet.

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In Europa ist der E-MTB-Markt längst etabliert – in den USA hingegen nimmt der Boom gerade erst Fahrt auf. Und mit dem Yeti MTe setzt ausgerechnet eine der ikonischsten MTB-Marken ein starkes Ausrufezeichen. Nicht mit günstigen Preisen, sondern mit Stil, Innovation und technischer Präzision.

Yeti bleibt seiner Linie treu: Wer sich ein Bike in Türkis wünscht, muss tief in die Tasche greifen. Während deutsche Hersteller wie Rose, Cube oder Canyon stark über Preis-Leistung punkten, dreht sich bei Yeti vieles um Kultfaktor, Renngeschichte und technische Details.

Yeti MTe Test
TQs kleiner HPR 60-Motor ermöglicht eine Optik wie bei einem MTB ohne Motor.

Switch Infinity? Nicht beim E-Bike

Die größte technische Änderung im Vergleich zu den Kultbikes von Yeti ohne Motor betrifft den Hinterbau. Da der TQ-Motor Platz fordert, musste Yeti den ikonischen „Switch Infinity“-Link weglassen – jener goldene Gleitmechanismus, der das Markenzeichen der Nicht-E-Bikes ist.

Stattdessen kommt beim MTe ein sechsgelenkiger Hinterbau zum Einsatz. Der sieht nicht nur anders aus – er lässt sich auch deutlich feiner abstimmen. Einen spürbaren „Wow-Effekt“ gibt’s zwar nicht sofort, aber auf dem Trail offenbart das System seine Stärken.

Weil der Motor etwas Bauraum braucht, kann Yeti seinen bekannten Switch Infinity Link nicht verbauen. Für das MTe setzt Yeti auf einen Hinterbau mit 6 Gelenken, der den Namen Sixfinity trägt. Dabei werden die obere und die untere Umlenkwippe mit seitlichen Streben verbunden. Dieses System ermöglicht das Feintuning von Hinterbauparametern ohne ungewollte Störeffekte.
Sixfinity-Hinterbau
Sieht aus wie ein Viergelenker, hat aber eine etwas komplexere Umlenkung verbaut. Yetis Sixfinity-Hinterbau wirft auf den zweiten Blick einige Fragen auf: Wo ist der Vorteil von einem Sechsgelenker?
Yeti Sixfinity
Ein Sechsgelenker kombiniert Elemente eines VPP-Hinterbaus (zwei Wippen) mit dem klassischen Horst-Link-Lager in der Kettenstrebe.
Yeti Sixfinity
Der Dämpfer lässt sich über die untere Aufhängung in vier verschiedenen Positionen einhängen, was die Progression des Hinterbaus stark beeinflusst.

Fahrverhalten: Kontrolle statt Spektakel

Im Trail-Alltag überzeugt das Yeti MTe mit enormer Bodenhaftung. Selbst mit moderater Progressionseinstellung zeigt der Hinterbau Grip satt. Die gefühlte Federwegsnutzung ist dabei größer, als es die 145 mm am Papier vermuten lassen.

Yeti schafft es, eine Performance zu liefern, die dem 160 mm-Fahrwerk an der Front in nichts nachsteht. Der Hinterbau reagiert sensibel, poppt bei Bedarf – und bleibt auch beim Anbremsen aktiv.

Der Vorteil der sechs Gelenke liegt dabei vor allem darin, dass die Entwickler einzelne Parameter besser abstimmen können, ohne unerwünschte Nebeneffekte an anderer Stelle. Und das spiegelt sich in einer exzellenten Bodenhaftung wider.

Yeti MTe Test
So komplex die Theorie hinter dem Sixfinity-Hinterbau ist, so simpel fällt unser Fazit dazu aus. Das Ding klebt am Boden.

Motor & Akku: Weniger ist manchmal mehr

Im Vergleich zum TQ HPR50 bringt der neue HPR60-Motor 50 Watt mehr Leistung. Die Unterstützung ist kräftiger, mit 350 Watt aber nicht aufdringlich. Wer extreme Uphill-Fähigkeiten sucht, wird hier aber nicht fündig. Dafür punktet das System mit Natürlichkeit. Einen vollen Test zum TQ HPR 60 System findet ihr hier.

Mit 580 Wh ist der Akku größer als bei vielen Light-EMTBs, aber kleiner als bei klassischen Full-Power-Modellen. In Kombination mit einem optionalen Range Extender (180 Wh) reicht das für ausgedehnte Touren über 2.000 Höhenmeter.

Yeti MTe Uphill
Die Kombination aus überschaubarer Leistung und großem 580-Wh-Akku beschert dem Yeti MTe eine Reichweite, die man sonst nur von deutlich schwereren Full Power EMTBs kennt. Über 2000 hm konnten wir mit dem Yeti MTe klettern, bevor der Akku leer war.
TQ Range Extender
Wem das nicht reicht, der kann zusätzlich einen 180 Wh Range Extender montieren.
TQ 580 Wh-Akku
Der 580-Wh-Hauptakku ist mit mehreren Schrauben im Unterrohr verbaut. Wer sich 10 Minuten Zeit nimmt, kann diesen aber auch wechseln.

Technische Eckdaten:

  • TQ HPR60-Motor: max. 350 Watt
  • Akku: 580 Wh, optional 180 Wh Extender
  • Sehr natürliches Unterstützungsgefühl
  • Kein abrupter Leistungsabfall über 25 km/h
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Gewicht & Geometrie: Zwischen Welten

Mit knapp unter 20 Kilo ist das Yeti MTe kein Leichtgewicht unter den Light-EMTBs. Verantwortlich sind u. a. die schweren Schwalbe-Reifen mit radialer Karkasse und der große Akku. Auf dem Trail fällt das Gewicht aber kaum auf – der Motor unterstützt harmonisch, der Hinterbau kaschiert gut.

Die Geometrie ist modern, ohne aggressiv zu sein. Reach, Lenkwinkel und Tretlagerhöhe sorgen für ein zentrales, kontrolliertes Fahrgefühl. Das Rad wirkt ausgewogen – und lässt sich intuitiv manövrieren.

Ab Werk kommt das Bike mit einem 29er Hinterrad und das hat uns sehr gut gefallen. Über einen Flip Chip lässt sich der Hinterbau aber auch auf ein kleineres 27,5 Zoll Hinterrad umstellen.

Yeti MTe Test
Das Yeti MTe ist kein absolutes Leichtgewicht. Aber es macht im Hinblick auf Ausstattung auch keinerlei Kompromisse bei der Abfahrtsperformance.

Ausstattung: Kompromisslos für den Fahrspaß

Wer bereit ist, über 12.000 € auszugeben, erwartet Premium-Komponenten – und genau die bekommt man. Das Fox-Fahrwerk der neuesten Generation arbeitet butterweich, die SRAM Transmission-Schaltung ist präzise, und die neuen Maven-Bremsen packen richtig zu. Bei der Sattelstütze setzt man vor allem wegen der geringen Wartung auf eine Rock Shox Reverb, die denselben Akku wie die Schaltung nutzt.

Yeti spart hier an keiner Stelle – etwas anderes war bei dem Preis auch nicht zu erwarten. Wobei man sagen muss, es gäbe noch leichtere Laufräder von DT Swiss. Hier ist noch minimal Luft nach oben.

Schwalbe Radialreifen
Schwalbes Radialreifen drücken mächtig auf die Waage, sind dafür aber Grip-Garanten, vor allem im verblockten Gelände.
Sram Maven
Mit der Maven-Anlage hat Sram endlich das Thema Bremspower in den Griff bekommen. Hier kann keiner mehr jammern.
RockShox Reverb
Obwohl das Fahrwerk von Fox kommt, setzt das Bike auf eine Reverb-Sattelstütze von Rock Shox. Unser Test zeigt: Die Stütze ist in Sachen Performance und Technologie derzeit das Maß der Dinge.
Schutzblech
Details Matter: Dort, wo sich Dreck im Hinterbau verfangen könnte, arbeitet Yeti ab Werk mit kleinen Schutzblechen.

Positiv am MTB

  • Sehr natürliches Fahrgefühl
  • Feines Hinterbau-Tuning möglich
  • Top-Ausstattung ohne Kompromisse
  • Reichweitenstark trotz „Light“-Systems
  • Edles Design & hochwertiger Look

Negativ am MTB

  • Sehr hoher Preis
  • Nicht superleicht (19,9 kg)
  • Kein spürbarer Vorteil des Sechs-Gelenkers
  • Motor-Power reicht nicht für extreme Uphills
Yeti MTb
Wer auf maximale Abfahrtsperformance und ein natürliches Fahrgefühl steht, der hat mit dem Yeti MTe mächtig Spaß.

Fazit: Nicht für jeden – aber für Genießer

Das Yeti MTe ist kein Bike für die breite Masse – und will es auch nicht sein. Es richtet sich an E-MTB-Enthusiasten, die auf ein besonders natürliches Fahrgefühl, hochwertige Technik und exzellente Trail-Performance Wert legen – und bereit sind, dafür zu zahlen. Es liefert keine Rekorde bei Leistung, Akku oder Gewicht. Aber es liefert Fahrfreude auf einem extrem hohen Niveau. Und manchmal ist genau das der Punkt.

Über den Autor

Ludwig Döhl

... hat mehr als 100.000 Kilometer im Sattel von über 1000 unterschiedlichen Mountainbikes verbracht. Die Quintessenz aus vielen Stunden auf dem Trail: Mountainbikes sind geil, wenn sie zu den persönlichen Vorlieben passen! Mit dieser Erkenntnis hat er bike-test.com gegründet, um Bikern zu helfen, ein ganz persönliches Traumbike zu finden.

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