Einstiegsdroge oder Billigbike?
Das Vitus E-Mythique LT VRX im Test

Der Preisunterschied bei hochwertigen E-Mountainbikes ist enorm. Bis zu 11.000 Euro rufen Hersteller wie Santa Cruz und Rocky Mountain für ihre Enduro-E-Bikes auf. Wer sich im extremen Gelände austoben will, muss allerdings nicht gleich seinen Bausparvertrag plündern. Das Vitus E-Mythique LT VRX zeigt, dass es auch anders geht und rollt für 5.100 Euro an den Start. Kann ein solcher Preisbrecher auf dem Trail überzeugen?

Das Vitus E-Sommet VRX im Test
Das Vitus E-Mythique LT VRX kostet 5.100 €, hat einen Federweg von 170 mm vorne und 160 mm hinten. Aber kann es auch shredden?

Das Vitus E-Mythique LT VRX hat einen Clou: Seine Einfachheit. Keine komplexe Hinterbaukonstruktion, kein teures Rahmenmaterial und kein selbst entwickeltes Motorsystem. Der Dämpfer des Vitus wird von einem klassischen Viergelenker-Hinterbau gesteuert. Der Rahmen besteht aus Aluminium.

Und beim Motor setzt Vitus auf Bewährtes von der Stange – einen Bafang M510. Mit so viel Mut zur Durchschnittlichkeit gelingt es Vitus, den Preis des E-Mythique im Rahmen zu halten. Können 95 Nm Drehmoment und 170 mm Federweg das Gefühl von einem fliegenden Teppich vermitteln, wie es Vitus in seiner Werbung verspricht?

Vitus E-Mythique LT VRX in Action
Das Bike im Finale Ligure Check: Hält das E-Enduro, was es verspricht?
Vitus E-Mythique LT VRX Rahmen
Der starke Alurahmen verspricht Langlebigkeit, ebenso wie die stabile Verbindung von Hinterbau und Hauptrahmen.

95 Nm Drehmoment sind selbst für ein Full Power E-MTB viel. Die maximale Leistung des chinesischen E-Motors liegt bei 550 Watt. Übersetzt heißt das: bergauf bist du dreimal so stark wie normal.

Diese Werte lassen auf einen schnellen Uphill-Flow hoffen. Aber kann das Bike diese Leistung auch auf die Strecke bringen? Und kommt ein knapp 25 Kilogramm schweres Bike im technischen Uphill wirklich in Schwung? Wir haben es auf den abwechslungsreichen Trails in Finale Ligure getestet.

Qick Facts zum Vitus E-Mythique LT VRX

  • Preis: 5.099,99 Euro
  • Rahmenmaterial: Aluminium
  • Laufräder: Mullet = 29" vorne, 27,5" hinten
  • Federweg: 170 mm vorne, 160 mm hinten
  • Akku: Bafang Intube mit 630 Wh (entnehmbar)
  • Motor: Bafang M510 mit 95 Nm Drehmoment
  • Garantie: 5 Jahre auf den Rahmen
  • Gewicht: 24,9 kg in Gr. L
  • Max. zulässiges Gesamtgewicht: 120 kg
Bafang E-Bike-Motor Test
Der Bafang M510 ist mit 95 Nm Drehmoment ein echtes Kraftpaket. Beim Anfahren ist er jedoch etwas träge.

Die Ausstattung: Einfach, haltbar, servicefreundlich

Robust steht es da, das Vitus. Der bullige Aluminiumrahmen mit seinen großzügigen Rohrquerschnitten verspricht Haltbarkeit. Solide wirkt auch die Verbindung zwischen Hinterbau und Hauptrahmen: Das Yoke an der Kettenstrebe bietet ein hohes Profil und hängt an einem großzügig dimensionierten Hauptlager. Das sollte halten.

Vitus E-Escarpe VRX Rahmen
Das Vitus ist ein waschechter Full-Power E-MTB Bolide.
Vitus E-Sommet VRX Reifen
Ein robuster, brachialer Radsatz, der aber ein Manko hat: Sein Gewicht.

Auch die Bereifung wirkt potent. Die grobstolligen Reifen sind 2,5” breit und auf 30 mm breiten Felgen aufgezogen. Der Radsatz ist wuchtig. Das Gewicht unterstreicht diesen Eindruck. Stolze 5.850 Gramm bringen die Räder mit Reifen und Anbauteilen auf die Waage. Das ist selbst für ein E-Bike viel.

Der Verdacht: Die Massenträgheit der schweren Räder könnte ein Killer für aktives Handling sein. Bleibt zu hoffen, dass sich das hohe Gewicht positiv auf die Pannensicherheit auswirkt.

Das E-Mythique verfügt über eine für seine Preisklasse durchdachte, aber günstige Ausstattung. Besondere Details oder gar Innovationen sind am Vitus nicht zu finden. Stattdessen wird mit einer Mischung aus SRAM GX-Schaltwerk und NX-Schalthebel geschaltet.

Vitus E-Sommet VRX Bremshebel
Eine preiswertere Vierkolbenbremse – dafür soll sie weniger Serviceintervalle fordern. Das schont den Geldbeutel.
Vitus E-Sommet VRX Schaltung
Ist die Mischung aus SRAM GX-Schaltwerk und NX-Schalthebel stimmig?

Auch die Bremsen kommen von SRAM. Die DB8 ist SRAMs preiswerteste Vierkolbenbremse. Im Gegensatz zu allen anderen SRAM Bremsen arbeitet die DB8 nicht mit DOT-Bremsflüssigkeit, sondern mit Mineralöl.

Das wirkt sich auf die Wartungsintervalle aus: Statt jährlich muss die DB8 nur alle zwei Jahre zum Service. Ein dickes Plus bei den Wartungskosten.

Der Preis ist heiß. Kann die Konkurrenz mithalten?

Das E-Mythique LT VRX ist mit 5.100 Euro sehr preisaggressiv positioniert. Zu diesem Preis bieten nur wenige Hersteller langlebige Enduro E-Bikes für die harte Gangart an. Mit Ausnahme der Fachhandelsmarke Cube führt in dieser Preisklasse kaum ein Weg an Versendern wie Canyon, Radon und YT vorbei.

Das YT Decoy kommt dem Vitus E-Mythique am nächsten. Satte 170 mm Federweg an der Front und eine Mullet-Laufradpaarung mit 29” vorne und 27,5” hinten eint die beiden Bikes auf dem Datenblatt. Bei vergleichbarer Ausstattung ist das YT allerdings 1.100 Euro günstiger.
Hier die drei Modelle im direkten Vergleich:

Vitus E-Escarpe LT VRX in Action
Preisaggressiv? Ja. Konstant günstiger als die Konkurrenz? Nein.
Vitus E-Sommet VRX
Das Vitus E-Sommet VRX kommt mit Mullet-Setup.

Die Straßenpreise des Vitus liegen jedoch weit unter dem vom Hersteller angesetzten Listenpreis. Zuletzt wurde das Bike bei Online-Händlern für günstige 3.019 Euro angeboten.

Ein dickes Plus liefert Vitus bei der Garantie: 5 Jahre Garantie gewährt der Hersteller dem Erstbesitzer auf den Rahmen. Das ist in diesem Preissegment ein überdurchschnittlich gutes Garantieversprechen.

Vitus E-Sommet VRX Uphill
Motorverhalten in technischen Uphills: Beim Anfahren dauert es seine Zeit, bis es zur Kraftentfaltung kommt.
Vitus E-Mythique LT VRX im Praxistest
Bei hoher Trittfrequenz im Uphill kommt der Motor nicht ganz mit – hier sind Bosch oder Shimano deutlich besser aufgestellt.

Starker Motor: Hilft viel, oder kommt es doch auf die Software an?

Vitus verspricht Uphill-Flow wie auf einem fliegenden Teppich. Ob ein E-Bike das liefern kann, hängt sowohl vom Bums des Motors als auch von der Traktion am Hinterrad ab. Noch wichtiger aber ist die Software, die den Motor steuert. Nur wenn die Software die Impulse des Fahrers richtig interpretiert, kommt das E-Bike in den Flow.

Der Motor macht im wahrsten Sinne des Wortes Eindruck. Einmal auf Touren gekommen, schiebt er den Fahrer kräftig nach oben. Das funktioniert auch in schwierigem Gelände gut.

Vitus E-Escarpe 297 VRX im Uphill
Der Motor hat noch einen guten Unterbodenschutz gegen Aufsetzer im Gelände.

Auffällig ist das Anfahrverhalten. Hier wirkt die Kraftentfaltung des Motors etwas träge. Will der Fahrer losfahren, lässt der Motor auf sich warten. Die Verzögerung ist gering, aber im Vergleich zu anderen E-Systemen von Bosch oder Shimano deutlich spürbar. Für ein spritziges Anfahren an steilen Rampen bleibt der Bafang-Motor dem Fahrer eine direkte Kraftentfaltung schuldig.

Beim Bergauffahren ist das Drehmoment des Motors deutlich spürbar. Die Beschleunigung ist gut und von Schlupf am Hinterrad ist nichts zu spüren. Motor und Reifen bringen die Kraft souverän auf den Boden. Erhöht man die Trittfrequenz, um im hohen Drehzahlbereich von über 85 Umdrehungen pro Minute noch einmal zuzulegen, kommt der Motor nicht ganz mit.

Und das, obwohl Bafang die Unterstützungsbandbreite bis zu einer Trittfrequenz von satten 120 U/min erweitert hat. Dabei dürften aber selbst austrainierte Tour-de-France-Profis diesen Wert nicht lange treten.

Auf dem Trail wirkt es vor steilen Rampen oder Geländekanten, als hätte der Motor seine Körner schon verbraucht. Das kostet wertvollen Schwung. Bei der Software hinkt der Antrieb der Konkurrenz von Bosch und Shimano etwas hinterher.

Vitus E-Sommet VRX im Test
Das Vitus E-Sommet auf den Trails von Finale.

Uphill: Können 95 Nm Drehmoment dem 25-kg-Boliden Leben einhauchen?

Für wirklich ambitionierte Uphill-Fans bietet der Bafang-Motor sogar einen „R“-Modus – das steht für „Race“. Dieser Modus hat eine Besonderheit: Lässt man die Kurbeln ruhen, schiebt der Motor noch einen Moment nach.

Wer darauf nicht vorbereitet ist, wird im Gelände so manchen Schreckmoment erleben. Wer sich aber darauf einlässt und mit dem Nachschieben umzugehen weiß, kann mit dem Nachschieben des Motors auch technische Passagen im Motorrad-Trail-Stil überwinden.

Alles in allem ist das Vitus E-Mythique ein starker Kletterer, der auch vor technischen Steigungen nicht zurückschreckt. Allerdings sollten die Uphill-Trails nicht zu eng und verwurzelt sein, dann steht sich das Bike mit seinem hohen Gewicht selbst im Weg.

Auch die Front steigt durch das hohe Cockpit schneller als gewünscht. Nur durch aktive Gewichtsverlagerung nach vorne kann das Vorderrad auf steilen Rampen am Boden gehalten werden.

Vitus E-Sommet VRX Speichenmagnet
Etwas old school: Der Speichenmagnet für das Motorsignal. Lockert sich die Speiche oder verdreht sich der Magnet, gibt es keinen Schub mehr vom Motor.

Ein No-Go des Antriebssystems ist der Magnet, der wie in den Anfangsjahren des E-Bikes noch an einer Speiche im Hinterrad hängt. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Der große Nachteil: Kommt der Speichenmagnet mit etwas Festem in Berührung, zum Beispiel mit einem Ast, der in den Weg ragt, verdreht sich der Magnet an der Speiche und verliert den Kontakt zum Ablesesensor. Kein Kontakt zwischen Magnet und Sensor bedeutet keine Motorleistung.

Vitus E-Sommet VRX Dämpfer
Der Rock Shox Dämpfer hat einen Ausgleichsbehälter, der vom Hersteller aber nur sehr grob vorge-tuned ist. Wir konnten die Zugstufe aber dennoch sinnig einstellen.
Vitus E-Mythique LT VRX Hinterbau
Die linke und rechte Hälfte des Umlenkhebels sind miteinander verschweißt. Das sorgt für einen steifen Hinterbau.

Downhill: Krawall und Remmidemmi oder doch nur Thresenstehen?

Schnelle Richtungswechsel sind nicht die Stärke des Vitus, obwohl die Reifen nicht der limitierende Faktor sind. Das Problem des Vitus: sein Gewicht und die hohe Front. Das Gewicht macht das Rad träge, außerdem schiebt das Bike über das Vorderrad. Das hohe Cockpit verlangt vom Fahrer viel Einsatz, um in Kurven genügend Druck auf das Vorderrad zu bringen.

Geht man mit dem Oberkörper beherzt über den Lenker, folgt das Vitus den Lenkbewegungen des Fahrers gemütlich, aber folgsam. Die große Überraschung sind die Reifen. Sie haben enormen Grip und halten das Rad sicher in der Spur.

Das Vitus wird den Geschmack von Freeridern treffen, die bergab gerne die Straightline nehmen und draufhalten. Sucht man hingegen nach einem flinken Trailräuber, ist das Vitus nicht die richtige Wahl. Die Geometrie vermittelt dennoch recht viel Sicherheit, das Bike läuft ruhig und die Reifen beißen sich gut im Boden fest. Abfahrtsspaß ist also garantiert.

Vitus E-Mythique LT VRX im Downhill
Nimmt lieber die straight line als die verschnörkelte: Das Vitus ist ein Panzer auf dem Trail, der zum Draufhalten animiert.
Vitus E-Sommet VRX Cockpit
Das Display der Bafang-Motoreinheit sitzt gut geschützt zwischen Vorbau und Lenker und gibt alle nötigen Informationen.

Stärken und Schwächen: Das bekommt man für 5.100 Euro

Pros

  • Starker Grip der Reifen
  • sehr schluckfreudiger Hinterbau, der viel Traktion bietet
  • E-Enduro mit Nehmerqualitäten
  • Starker Preis

Contra

  • Speichenmagnet am Hinterrad
  • Bremsen auf langen, steilen Trails zu schwach
  • Federgabel schränkt den Downhill-Spaß deutlich ein
Vitus E-Mythique LT VRX im Praxistest
Konnte das Vitus unsere Redaktion überzeugen?

FAZIT zum Vitus E-Mythique LT VRX

Mit starkem Motor, moderner Geometrie und potentem Hinterbau ist das Vitus in seiner Preisklasse eine positive Überraschung. Zwar ist das Bike kein Kurvenkünstler, aber Spaß macht es allemal.

Bergauf stehen alle Möglichkeiten offen: Ob Trail oder Schotterweg, das Vitus kommt fast überall hoch. Allerdings verlangt das Gewicht dem Fahrer einiges an Körpereinsatz ab. Bergab überzeugt das Vitus mit Laufruhe und einem definiert schluckfreudigen Hinterbau.

Wer das Bike zum aktuellen Straßenpreis kauft, wird Spaß beim Biken haben. Investiert man langfristig gesehen in eine bessere Gabel, bekommt man tatsächlich ein richtig potentes E-Enduro zu einem attraktiven Preis.

Alternativen zum Vitus E-Mythique LT VRX

Wie gewohnt liefern wir nicht nur tiefgründige Einblicke in die Details eines Bikes, sondern auch Informationen zu anderen Bikes dieses Herstellers. Wen das Vitus E-Mythique nicht interessiert, findet bei uns auch alle weiteren Modelle von Vitus bei uns. Auf den Detailseiten findet ihr außerdem eine detaillierte Ausstattungsliste und alle Geometriedaten. Und natürlich haben wir auch eine Enduro EMTB Kaufberatung für alle, die sich für ein Enduro Bike interessieren.

Über den Autor

Maxi Dickerhoff

...liebt es, mit der Hangabtriebskraft zu spielen und bewegt Mountainbikes bergab meist in Schräglage. Sein Fahrstil verlangt den Bikes alles ab, seine Liebe zum Detail macht seine Tests zu einer wahren Hilfe für alle Biker.

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