Preiswertes light EMTB: Das Focus Jam² SL im Test
Das Light-EMTB-Segment ist zwar trendig, aber auch sehr elitär. Wer ein E-Mountainbike unter 20 Kilo haben will, muss dafür nicht selten über 10.000 € auf den Tisch legen. Das Einstiegsmodell vom Focus Jam² SL kostet 6.399 € und ist damit eines der günstigsten Light-EMTBs für den ernsthaften Geländeeinsatz. Im Test checken wir, ob es dennoch Spaß macht oder ob bei dem Preis die Kompromisse überwiegen.
Sie sehen aus wie normale Mountainbikes. Das Handling auf dem Trail ist deutlich intuitiver als bei herkömmlichen EMTBs und leise sind sie obendrein. Light EMTBs haben starke Argumente in petto.
Es gibt dabei nur ein Problem: Wer ein leichtes E-Bike haben will, der braucht einen schweren Geldbeutel. Denn bei dem ganzen Hype, der durch Medien erzeugt wird, gerät der Preis oft in Vergessenheit. 8000 € und mehr sind in diesem Bereich nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Mit dem niedrigen Gewicht und den niedrigen Preisen verhält es sich wie mit zwei Magnetenden mit derselben Polung. Die beiden Argumente scheinen sich gegenseitig abzustoßen. Focus hat diese Lücke im Markt erkannt und versucht sie mit seinen Focus Jam² SL Modellen zu schließen.
Hat Focus mit Preisen ab 6.399 € einen Weg gefunden, ein hochwertiges Light EMTB zum guten Preis auf die Laufräder zu stellen oder ist das Focus Jam² SL am Ende ein fauler Kompromiss?
Fakten zum Focus Jam² SL
- Preis: 6.199 - 11.499 € (4 Modelle)
- Gewicht: 19,7 Kilo (Focus Jam² SL 8.8 für 6.899 €)
- Federweg vorne: 160 Millimeter
- Federweg hinten: 150 Millimeter
- Motor: Fazua Ride 60
- Akku-Kapazität: 430 Wattstunden
- Laufradgröße: 29 Zoll
Full-Power vs. Light E-MTB – Focus bietet alle Optionen
Focus ist einer der Hersteller mit der größten Modellpalette im EMTB-Bereich. Die Cloppenburger Firma besetzt nicht nur sämtliche Preis-, sondern auch viele Federwegsklassen.
Im Fall von den Jam E-Bike-Modellen hat man obendrein sogar noch die Wahl, ob er ein Light- oder ein Full-Power-EMTB haben will. Denn die Focus Jam-Modelle ohne den Modellzusatz „SL“ kommen mit Boschs CX-Aggregat, 85 Newtonmeter Drehmoment und dickem 750-Wattstunden-Akku. Unsere Vergleichsfunktion verrät dabei, dass die Geometrie und die Ausstattung sich bei gleichem Preis nur minimal unterscheiden. Der große Unterschied wird mit dem Blick auf das Gewicht aber klar.
Die Full-Power-Version des Focus Jam² wiegt fast 5 Kilo mehr. Akkuzellen für zusätzliche 320 Wattstunden Kapazität, ein Aluminium-Hinterbau und der dicke Motor drücken auf die Waage. Klar, ein 320-Wattstunden größerer Akku bedeutet zwangsläufig mehr Reichweite. Allerdings leidet das Handling des Bikes im Gelände unter dem zusätzlichen Gewicht. Wer gerne sportlich unterwegs ist und vielleicht sogar einen verspielten Fahrstil auf dem Trail hat, der wird mit dem Light-EMTB glücklicher.
Willst du nur möglichst schnell zum Gipfel und hat der Fahrspaß auf dem Trail eine untergeordnete Rolle für dich, ist das Full-Power-EMTB die richtige Wahl. Das Gute an der Sache: Focus bevormundet seinen Kunden in diesem Punkt nicht, sondern lässt ihnen die freie Wahl.
Der Fazua Ride 60 Motor im Test
Im Light-EMTB-Bereich steckt aktuell viel Musik. Nachdem Bosch zuletzt seinen neuen SX-Motor vorgestellt hat, kamen viele neue Modelle auf den Markt. Doch anders als bei den Full-Power-Motoren, gibt der Motorenhersteller Bosch im Light-EMTB-Segment den Ton nicht an.
Die Münchner Firmen TQ und Fazua haben den Markt für leichte E-Mountainbikes deutlich mehr geprägt und sind in diesem Bereich aktuell auch die erste Wahl. Beim Test von Bikes mit TQ-Motor fällt uns immer wieder auf, wie leise und dezent dieser unterstützt. Obwohl der im Focus Jam² SL verbaute Fazua Ride 60 mit 60 Newtonmeter nominell dasselbe Drehmoment liefert, fällt die Unterstützung deutlich stärker aus.
Die Modulation der Power hat das Münchner Aggregat dabei gut im Griff. Weder stotteriges Anfahren noch zu langes Nachschieben sind beim Fazua Ride 60 ein Problem. Schaltet man von der leichten Breeze oder River Unterstützungsstufe in den Rocket-Modus (die höchste dauerhafte Unterstützungsstufe), liegt ordentlich Leistung an der Kette an.
Mit seinem sportlichen Fahrverhalten und der für einen Light-Motor hohen Leistung platziert sich der Fazua Ride 60 zwischen den Welten. Er unterstützt stärker als TQs HPR 50, schiebt aber nicht ganz so brachial wie die Bosch CX-Motoren. Zumindest nicht dauerhaft.
Die Fazua Boost-Funktion
Hält man den Ringschalter länger gedrückt, werkelt der Motor für 12 Sekunden im temporären Boost-Modus mit deutlich mehr Leistung als in der Rocket-Unterstützung. Das hilft vor allem, wenn sich besonders steile Rampen vor einem aufbäumen.
Auch in technischen Uphills ist diese Funktion eine gute Hilfe. So kann man zuvor viel Schwung aufbauen, um dann in der Sektion den einen oder anderen Pedaltritt auszulassen, um mit der Kurbel nicht auf dem Boden aufzuschlagen. Der Boost-Modus kann sogar im Stand eingelegt werden und entfaltet dann seine Power, sobald man beginnt, in die Pedale zu treten. Das kann beim Anfahren in besonders steilen Anstiegen durchaus hilfreich sein.
Der Ringschalter muss für die Boost-Funktion nicht dauerhaft gedrückt werden, sondern lediglich zuvor zwei Sekunden betätigt bleiben. Der Ringschalter, über den das ganze System gesteuert wird, wirkt nicht ganz so wertig wie der Rest des Fazua-Systems.
Die Bedienung des Antriebssystems ist damit problemlos möglich, aber dennoch ist es schade, dass der Münchner Motorenhersteller ausgerechnet am Bedienelement, der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, etwas spart.
Stärken des Fazua Ride 60 Systems
- Gewicht: unter 2 Kilo (leicht)
- Optik: Versteckt sich kaum sichtbar im Tretlagerbereich
- Kraftzwerg: unterstützt deutlich kräftiger als der TQ HPR 50
- Boost-Funktion: gibt kurzfristigen Extraschub
- Akku-Größe: 430 Wattstunden (17 % mehr als bei TQ)
Schwächen des Fazua Ride 60 Motors
- Ringschalter: wirkt wenig wertig
- Lautstärke: Leiser als Boschs CX oder Shimano's EP8, aber lauter als der TQ HPR50
Kein externer Ladeport, kein Bordcomputer
Auf zwei Sachen muss man beim Focus Jam² SL verzichten. Der externe Ladeport fällt dem Leichtbau zum Opfer. Wer den 430-Wattstunden-Akku aufladen will, muss ihn dazu aus dem Unterrohr entnehmen. Das geht mit zwei Handgriffen ganz einfach.
Kurz mit dem Minitool die Schraube des Deckels um 90 Grad drehen und dann mit einem Handgriff den Akku aus seiner Halterung nehmen. Schon hat man den 430-Wattstunden-Speicher in der Hand und kann ihn an jeder beliebigen Steckdose aufladen.
Die zweite Sache, die es ab Werk nicht gibt, ist ein Bordcomputer, der die Geschwindigkeit oder Unterstützung anzeigt. Informationen über Akkuladestand und eingelegte Unterstützungsstufe werden über die Anzahl und Farbe der LEDs am Oberrohr kommuniziert. Wer mehr wissen will, kann das Fazua-System mit modernen GPS-Tachos koppeln und hat dann alle Informationen auf dem externen Gerät. Wir finden:
Ein guter Schachzug, denn so buhlen am Lenker nicht mehrere Displays gleichzeitig um die Aufmerksamkeit des Fahrers. Außerdem bleibt das Cockpit aufgeräumt und muss ein Kabel weniger aufnehmen.
Das Focus Jam² SL ist ein durchdachtes Tourenbike, aber keine Ballermaschine
Neben dem Motor ist die alles entscheidende Frage natürlich: Wie fährt sich das Focus Jam² SL auf dem Singletrail? Die Antwort: Unauffällig, wenn man ein normales Mountainbike ohne Motor gewohnt ist. Klar: Biobikes mit demselben Federweg wie etwa das YT Jeffsy wiegen zirka 4-5 Kilo weniger. Aber dennoch gelingt das Handling auf dem Trail von Anfang an intuitiv. Hier spielt nicht nur das für E-Bikes geringe Gewicht eine Rolle.
Auch die Geometrie folgt nicht bedingungslos dem aktuell angesagten Länger-Flacher-Trend. Focus trifft die Wahl der Geometriedaten mit einem geschickten Händchen. So ist der 65,5 Grad Lenkwinkel zwar flach, driftet aber nicht ins Extreme ab und erhält dem Bike damit einen lebendigen Charakter. Vor allem unter E-Bikes ist das eine Seltenheit. Enge Kurven, kleine Bunny-Hops oder spontane Manuals sind kein Problem für denjenigen, der die Skills dazu hat.
Das Fox Fahrwerk schluckt auf dem Trail die Stöße ohne Zicken weg. Dass der Dämpfer keinen Ausgleichsbehälter hat, fällt auf kürzeren Abfahrten bis zu 200 Höhenmetern nicht auf. Er macht im Heck das, was man von ihm erwartet. Er ebnet Schläge ein und erhält dem Fahrwerk aber den nötigen Pop, um an Geländekanten auch mal abzuziehen.
Teigiges Versinken im Federweg gibt es hier nicht. Erst bei längeren Abfahrten im Vollgasmodus spielen Dämpfer mit Ausgleichsbehälter ihren Trumpf durch ein besseres Wärmemanagement aus. So bleibt deren Zug- und Druckstufe über die komplette Abfahrt konstanter.
Die Magura Bremsen lassen beim Verzögern keine Wünsche offen. Für den gröberen Einsatz, den das Bike locker wegstecken würde, müssten versierte Fahrer Reifen mit mehr Pannenschutz aufziehen.
Für Touren ist die Maxxis Reifenkombi allerdings optimal. Auch die nicht zu sportliche Sitzposition passt gut zum Charakter des verspielten Tourenbikes. Und mit den 430 Wattstunden im Akku steht bei aktiver sportlicher Fahrweise auch längeren Touren nichts im Weg.
Viele Verstellmöglichkeiten am Focus Jam² SL
Für technik-affine Biker bietet FOCUS auch jede Menge Möglichkeiten, die Geometrie an die eigenen Vorlieben anzupassen. Über den verbauten Acros-Steuersatz kann man mithilfe von einem Mini-Tool den Lenkwinkel um ein Grad abflachen. Und auch die Kettenstreben lassen sich über zwei Flipchips in der Länge verstellen.
Das System mit zwei Flipchips hat den Vorteil, dass man die Kettenstreben wirklich isoliert verstellen kann, ohne dabei Einfluss auf die Kinematik oder andere Geometrie-Maße zu nehmen. Beide Verstelloptionen nutzt man sicher nicht täglich. Vor allem die Verstellung der Kettenstrebe ist aber sehr gut, um die Hinterbaulänge über die Laufradgröße mitwachsen zu lassen. So bleibt die Lastverteilung auf Hinter- und Vorderrad über alle Rahmengrößen gleich.
Focus Test Ride Center: Jeder kann das Focus Jam² SL ausprobieren
Unsere Mission auf emtb-test.com ist es, euch die heißesten E-Mountainbikes auf dem ganzen Markt zu präsentieren. Aber nichts geht über selber testen. Wer selbst testen will, der kann bei FOCUS in den Test Ride Centern sich per App eine Testfahrt buchen. Und Testfahrt heißt in diesem Fall nicht mal nur schnell über den Parkplatz zu rollen.
Extralange Testfahrten können bis zu zwei Stunden dauern. Man kann also wirklich ausgiebig im wirklichen Gelände testen. Das Angebot ist völlig kostenlos bei knapp 20 Händlern im deutschsprachigen Raum verfügbar und soll weiter ausgebaut werden.
Alle aktuellen Focus Jam² SL Modelle auf einen Blick inkl. Preise und Verfügbarkeiten:
Das Bike gibt es in vier Ausstattungsvarianten ab 6.199 Euro. Alle kommen mit Vollcarbonrahmen daher. Das Top-Modell kostet knapp 12.000 Euro und wiegt unter 18 Kilo. Damit deckt Focus vom preiswerten Einstieg in die Light-EMTB-Welt bis zum absoluten Luxusprodukt alles ab.
Im Gegensatz zu allen anderen Medien erlaubt es unser innovatives und absolut objektives Testsystem euch, Informationen zur kompletten Modellfamilie zu liefern. Hier könnt ihr euch zum richtigen Focus Jam² SL je nach eurem Budget informieren. Eine generelle Kaufberatung zum Thema Light EMTB findet ihr hier.
Alle aktuellen FOCUS JAM² SL Modelle im Überblick
Fazit zum Focus Jam² SL
Gerade im Light-EMTB-Segment driften die meisten Hersteller beim Preis in absolut elitäre Regionen ab. FOCUS bleibt hier bodenständig und die Ingenieure und Produktmanager wissen dabei, was sie tun.
Denn sie reduzieren das Bike an den richtigen Stellen, um den einzigartigen Dreiklang aus 160 mm Federweg, einem Gewicht von unter 20 kg und einem attraktiven Preis hinzubekommen. Das Focus Jam² SL ist ein solides Tourenbike für sportliche und vor allem trailverliebte Fahrer.