Eine runde Sache

ZF CentriX im Test

Der neue ZF CentriX Motor ist fast so kompakt wie eine Bierdose und macht mit 90 Nm Drehmoment ordentlich Druck. Ob das System Potenzial hat, haben wir in einem ersten Test herausgefunden.

ZF CentriX Motor Test
Schlank und stark – Kann der CF Centrix auch in der Praxis überzeugen?
ZF Centrix Motor Test
Wir konnten ein Vorserienmodell bereits ausgiebig im Trail-Einsatz testen.
ZF Centrix Motor Test
Und haben dabei nicht nur auf die Fahreigenschaften, sondern auch auf den Sound geachtet.

Ein weiterer namhafter Automobilzulieferer drückt in den E-Bike-Markt und will dem Klassenprimus Bosch Konkurrenz machen. Der Getriebespezialist ZF präsentiert sein neues Bike Eco System, dessen Herzstück der kreisrunde CentriX Motor ist. Das ZF CentriX Motorsystem kombiniert drei Innovationen, die als Gesamtpaket eine gewisse Revolutionskraft haben.

Die erste der drei Innovationen ist der Formfaktor des Motors. Mit der Form eines Zylinders gleicht der Motor einer Bierdose. Schlanke 88 mm misst der Motor im Durchmesser und ist damit lediglich einen Daumen dicker als eine gewöhnliche Getränkedose. Der Formfaktor an sich ist zwar schon vom TQ HRP50 Light-Assist Motor bekannt, doch zaubert ZF satte 90 Nm Drehmoment aus dem kreisrunden Motor – das sind 40 Nm mehr, als der TQ generiert. Und der Formfaktor ist nur das offensichtlichste Argument.

ZF CentriX Motor-Test
So klein, dass er sich hinter dem Kettenblatt unsichtbar versteckt. Diese Optik kennt man bislang nur von deutlich schwächeren Motoren.

Anders als Bosch: Axial ausgerichtetes Getriebe

Damit der axial ausgerichtete Aufbau des Motors funktioniert, bedient sich ZF eines Wellgetriebes. Diese Getriebeart ist primär vom Getriebespezialisten Harmonic Drive bekannt und wurde ursprünglich für die Robotik entwickelt, um Drehbewegungen spielfrei und punktgenau steuern zu können. Beim CentriX Motor sitzt das Wellgetriebe auf derselben Achse wie die E-Maschine und überträgt das Drehmoment des Motors mit nur einer Getriebestufe auf die Antriebswelle.

Auch das soll dem Motor eine besonders hohe Effizienz einbringen. Bei den meisten E-Bike-Motoren liegen die E-Maschine und die Antriebswelle auf zwei unterschiedlichen Achsen und sind über ein Planetengetriebe miteinander verbunden. Auch wenn ein Wellgetriebe bei E-Bike-Motoren bisher unüblich ist, so setzt TQ schon seit dem kraftvollen HRP120 und auch beim neuen HRP50 auf dieses Getriebekonzept.

48 V Systemspannung für mehr Effizienz

Innovation Nummer drei ist die Spannung des Systems. Das System arbeitet mit einer Spannung von 48V. Zum Vergleich: Boschs Performance Line CX System hat eine Spannung von 36V. Durch die höhere Spannung reduziert sich der Widerstand im System, wodurch der Motor weniger Wärme entwickeln soll.

Auch die Effizienz soll durch reduzierte Widerstandsverluste begünstigt werden. Auch ein 48V System ist nichts gänzlich Neues: Schon der Vorgänger, der noch unter der Marke Sachs vermarktet wurde, basierte auf einem 48V System – genau wie der Brose Drive³ Peak-Motor und auch der neue DJI Avionix.

DJI Avionix Motor
Auch der DJI Avinox-Motor, den wir schon ausgiebig getestet haben, setzt auf 48 V Systemspannung.
Bosch CX Gen 5
Boschs CX der 5. Generation bleibt dagegen bei 36 Volt, um auch mit älteren Baugruppen kompatibel zu bleiben.

Nimmt man all diese Innovationen zusammen, ergibt das ein E-Motorsystem mit beachtlichem Neuheitswert. Dieses System rundet ZF mit einer Motoraufnahme ab, die es am E-Bike-Markt bisher noch gar nicht gab: der CentriX Motor wird nicht wie üblich über Anschraubsockel mit dem Motorinterface am Rahmen verheiratet, sondern sitzt in einer kreisrunden Fassung und wird von unten mit einer Klammer in der Fassung geklemmt – genau wie ein Fahrradlenker im Vorbau. Diese robuste Alu-Klammer erfüllt zugleich den Zweck eines Skid-Plates und schützt den Motor vor Hinderniskontakt.

Das Ergebnis dieser Ingenieurskunst: ein 90 Nm starker E-Bike-Motor mit 600 W Spitzenleistung, einer kompakteren Bauform als Boschs SX Light Assist Motor und einem geringen Gewicht von nur 2,5 kg.

ZF CentriX Motor Test
Erst die Kombination aus verschiedenen Merkmalen gibt dem ZF-Motor einen gewissen Neuheitswert.

Motor: Wie gehen Bemaßung und Leistung zusammen?

Einen kompakten Motor bauen, ist das eine. Einem so kompakten Motor 90 Nm Drehmoment und 600 W Spitzenleistung zu entlocken, ist das andere. Eine Kombination, die auch nach hinten losgehen kann: nämlich dann, wenn im kompakten Gehäuse Wärmestau entsteht. Die Kunst liegt im Heat Management.

Mit dem 48-Volt-System möchte ZF die Wärmeentwicklung aufgrund eines geringeren Stromflusses gemildert haben. Zudem dreht das Wellgetriebe durch ein Ölbad, was das System einerseits schmieren, andererseits aber auch Wärme aufnehmen und ableiten soll.

Damit der Motor extremen Belastungen lange standhält, hat ZF eine Überlastkupplung integriert – eine Art Drehmomentbegrenzer wie bei einem Drehmomentschlüssel. Wird das maximal zulässige Drehmoment überschritten, löst die Kupplung aus und schützt das System vor überlastbedingten Schäden.

ZF Centrix Motor Test
Der Motor wird, wie ein Lenker im Vorbau, einfach über eine Klemme in den Rahmen geklemmt.
ZF Centrix Motor Test
Die Schrauben zur Klemmung sind relativ klein.
ZF Centrix Motor Test
Die Sensorscheibe am Hinterrad liefert eine kleinteilige Datengrundlage für das Motormanagement. Auch DJI setzt auf diese Lösung.

Die Akku-Optionen

Das Thema Akkugröße spaltet E-Bike-Fahrer wie kaum ein anderes. Den einen reichen kompakte Akkus für die tägliche Feierabendrunde, die anderen treibt die Reichweitenangst zum größtmöglichen Akku. Doch in einer Sache sind sich alle einig: im Gelände ist ein leichtes E-Bike ein Segen. Und geringes Gewicht erkauft man sich meist durch kleinere Akkus.

Die Battery Rail von ZF soll E-Bikern die Wahl nun erleichtern, denn man muss sich beim Kauf des E-Bikes nicht mehr auf einen Akku festlegen. Die Battery Rail ist eine Schiene, die fest im Rahmen sitzt und auf die der Akku aufgesteckt wird. Zudem soll die Schiene den Akku so stabil sichern, dass Systemausfälle aufgrund von Kontaktverlust der Vergangenheit angehören. Gesichert wird der Akku am unteren Ende der Battery Rail mit einem Akkuschloss. Akku und Schloss liegen unter dem Akku Cover versteckt – so zumindest beim Vorführbike, dem neuen Raymon Tarok.

Schiene und Akku erlauben als Kombi-System sowohl den einen als auch den anderen Akku. Der eine ist ein 4,2 kg schwerer 756-Wh-Akku, der andere ein 3,2 kg leichter 504-Wh-Akku. Wer sich den Luxus erlauben möchte, kauft beide Akkus und wählt je nach Tour den passenden Akku. Für die kurze Feierabendrunde profitiert man dann vom geringen Gewicht des kleinen Akkus, für die lange Tagestour von der großen Reichweite des großen Akkus.

Akku-Größe Gewicht
756 Wh 4,2 kg
504-Wh 3,2 kg
ZF Centrix Akku
In den Raymon Tarok Modellen lässt sich der Akku aus dem Unterrohr entnehmen.
ZF Centrix Akku
Dazu muss jedoch immer mit einem Schlüssel gearbeitet werden.
ZF Centrix Akku
Der Mechanismus dafür ist etwas kleinteilig, aber funktioniert gut.

Der Core Controller & Remote

Die Hauptschnittstelle zwischen Fahrer und Bike ist der Core Controller. Der sitzt im Oberrohr und bietet alle Funktionen, um das E-System bedienen zu können. Das ZF System lässt sich also auch puristisch, ohne Remote und Display nutzen.

Außerdem bietet der Core Controller einen magnetischen Ladeport – ähnlich dem MagSafe-System von Apple. Über diesen Ladeport und das Zubehör-Kabel können Smartphone oder Licht während der Fahrt über den Hauptakku mit Energie versorgt werden.

Die Pure Remote ist eine reduzierte Fernbedienung für die linke Lenkerseite. Gegenüber dem Core Controller lässt sich mit der Pure Remote auch die Schiebehilfe nutzen.

ZF Centrix Remote
Minimale Optik, gute Haptik. Der Remote-Controller gefällt.
ZF Centrix Remote
Auch im Gelände ist der Remote gut mit dem Daumen zu erreichen.
ZF Centrix Remote
Das Core-Element ist im Oberrohr eingelassen und ist zwingend nötig für das System. Display und Remote sind dagegen nur optional.

Das optionale Display des ZF Centrix

Wer während der Fahrt alle Infos auf einen Blick haben möchte, der montiert das 2,8” große Color Display mit Touch Screen. Auch Navigation kann das Display – das allerdings nur im Turn-by-Turn Format, also von einem Abbiegepunkt zum nächsten.

Und dann wäre da natürlich noch die ZF App, mit der sich der Motor und seine Charakteristik individuell einstellen lässt. Zudem können Updates für das Motorsystem via App “Over The Air” ans System übertragen werden.

Die Bedienung lässt keine Wünsche offen. Die Haptik aller Bedienelemente ist angenehm und sehr definiert. Die Knöpfe der Pure Remote sind gut zu erreichen und der Druckpunkt deutlich zu spüren.

Die Berührungen des Fingers nimmt das Display schnell und präzise an – so wie wir es heutzutage von Smartphones gewohnt sind. Die Informationen sind deutlich zu sehen und gut abzulesen. Spannend ist der Frontscreen, der sowohl die aktuelle Motorleistung als auch die Eigenleistung darstellt.

ZF Centrix Display
Das Touchscreen-Display fällt für unseren Geschmack etwas groß aus.
ZF Centrix Display
Dafür ist es flach und stellt auch nur eine Option dar. Das System funktioniert auch ohne Display.
ZF Centrix Display
Denn wer bergab shredden will, kann auf die Infos des Displays getrost verzichten.

Wie fährt sich das ZF System?

ZF präsentierte uns im Rahmen einer Presseveranstaltung eine seriennahe Version des ZF Bike Eco-Systems mit CentriX Motoreinheit. Dennoch betonte ZF das Vorserienstadium des Antriebs und verwies explizit auf die Software, welche bisher nicht marktreif sei.

Nun aber ab ins Gelände. Der Motor reagiert blitzschnell auf den Anfahrimpuls des Fahrers und so ist auch das Anfahren an steilen Rampen und auf losem Boden ein Kinderspiel. Die Beschleunigung ist beachtlich. Die Kombination aus 600 W Spitzenleistung und 90 Nm Drehmoment sorgt für einen ordentlichen Durchzug. Vor allem im Uphill trumpft der Motor auf.

Anders als viele andere Motorsysteme schiebt der Motor schon bei niedrigen Kadenzen kräftig an. Die Kraftentfaltung unterstützt den Bereich von 0 – 15 km/h besonders deutlich. Wer sich steile Rampen und technische Trails hinaufkämpft, der darf sich über viel Unterstützung freuen. Punch ist sicherlich das treffendste Wort, um die Charakteristik beim Beschleunigen zu beschreiben. Nach oben raus hat man dann aber das Gefühl, als würde es dem Motor etwas an Nachdruck fehlen. Das ist faktisch nicht der Fall – nur fühlt sich die Beschleunigung von unten raus eben so markant an, dass der Wow-Effekt nach oben raus nicht durchhält.

ZF Centrix Test
Der ZF Centrix schiebt im Praxistest schon bei geringer Trittfrequenz ordentlich an.

Vor allem auf technischen Uphills hat mir die Charakteristik des Motors besonders gut gefallen. Man ist nicht gezwungen, die Trittfrequenz hochzuhalten, um dem Motor seine Power zu entlocken. Schnelles Treten kann sich in manchem Gelände schnell hektisch anfühlen, wodurch der Fokus auf den Trail leidet. Der ZF schafft es, auch bei niedrigen Kadenzen schon kräftig anzuschieben, wodurch ich mich voll aufs Fahren konzentrieren konnte.

Das markante Anfahrverhalten bezeugt der Motor mit einer ebenso markanten Geräuschkulisse. Im Vergleich zu den gängigsten Full-Power-Motoren am Markt kam mir der ZF CentriX lauter vor – eine handfeste Geräuschmessung war aber nicht möglich. Der Sound des Motors klingt nicht so hochfrequent wie viele andere Motoren – der Motor klingt weniger nach Elektronik, sondern mehr nach Mechanik: markant, kräftig, kernig – so würde ich die Geräuschkulisse beschreiben.

Grund für den kernigen Klang könnte das Wellgetriebe sein, bei dem sich in einer Art gezahnten Trommel mehrere Zähne zeitgleich im Eingriff befinden. Abgesehen vom Motorklang ist das System flüsterleise, sobald die Kurbeln stehen bleiben und man in den Downhill einbiegt. Lästiges Klappern gibt es am ZF Motor nicht zu hören.

ZF Centrix Test
Auch bei harten Landungen oder Wurzelteppichen klappert der Motor bergab nicht. Yeah!

Ganzheitlicher Ansatz bis zum Kabelbaum

Für Endkunden nicht so wichtig, aber für Händler ein Segen: der schlanke Kabelbaum des ZF Bike Eco Systems. Um die Anzahl an Kabeln und deren Länge auf ein Minimum zu reduzieren, hat sich ZF für eine clevere Anordnung der Steckplätze entschieden. Alle elektronischen Bauteile, die in Fahrrichtung zeigen, werden am Core Controller im Oberrohr angesteckt.

Alle Bauteile, die in der Rahmenmitte liegen oder nach hinten zeigen, werden an der unteren Akku-Aufnahme angesteckt – die hört auf den Namen “Battery Terminal”. Damit verläuft nur ein Kabel durch das Unterrohr – nämlich vom Core Controller zum Battery Terminal. Alle Verbindungen sind einfach per Stecker und Buchse gesteckt.

Die Steckplätze im Core Controller und dem Battery Terminal erlauben auch Erweiterungen mit elektronischem Zubehör wie einer Lichtanlage.

ZF Centrix Ladebuchse
Der Kabelbaum des Systems ist schlank gehalten und steuert alle Elemente wie den externen Ladeport an.

Pros

  • Ordentlich Punch - vor allem von unten raus
  • Spannende Optik im kompakten Format
  • Effizient: 48 V Spannung reduziert Widerstandsverluste
  • Wartungsfreundlich aufgrund von reduziertem Kabelbaum und cleverer Motoraufnahme

Cons

  • unüberhörbare Motorgeräusche
  • Akkumentnahme nur mit Schlüssel möglich
  • immer noch im Vorserienstadium
  • derzeit keine Erfahrungswerte über Langzeithaltbarkeit
  • nur wenige Bike-Modelle zur Auswahl

Aktuell nur in Raymon Tarok Modellen

Aktuell wird der neue Motor ausschließlich in den Raymon Tarok Modellen angeboten. Die Auslieferung der Bikes dauert sicher noch bis zum zweiten Quartal 2025. Wir haben für euch schon mal die Ausstattungsvarianten gecheckt. Mit dem Pfeilsymbol könnt ihr diese auch in den Vergleich ziehen, um die unterschiedlichen Ausstattungsmerkmale zu vergleichen. Das geht auch mit jedem anderen Bike aus unserer großen Marktübersicht.

Fazit zum ZF Centrix-Motor

Der ZF CentriX Motor und das ZF Bike Eco System begeistern schon im aktuellen Vorserienstand. Der kräftige Punch des Motors begeistert vor allem beim Anfahren und auf steilen sowie technischen Uphills. Zudem ist die Form des Motors ein Hingucker und die dadurch entstehenden Möglichkeiten im Rahmenbau eine tolle Bereicherung für den E-Bike-Markt.

Über den Autor

Maxi Dickerhoff

...liebt es, mit der Hangabtriebskraft zu spielen und bewegt Mountainbikes bergab meist in Schräglage. Sein Fahrstil verlangt den Bikes alles ab, seine Liebe zum Detail macht seine Tests zu einer wahren Hilfe für alle Biker.

Empfohlen für dich

Flyer Uproc SL:X im Test

Es ist leicht, schick und noch bezahlbar. Das Flyer Uproc SL:X lässt mit 17,6 Kilo die ...

Focus VAM² SL im Test

Die Kombination aus 130 mm Federweg, 18,6 kg und einem Preis von unter 7000 € machen da...

Cube AMS Hybrid One44

Europas größter Bike-Hersteller hat seine Fans lange auf die Folter gespannt. Jetzt zei...

Zu Besuch bei Magura

Magura entwickelt, produziert, montiert und vertreibt seine Bremsen in Bad Urach. Diese...