Supertrails am Gardasee

Das Nordufer des Gardasees war früher ein Magnet für Singletrail-Surfer und Touren-Treter. Drei Jahrzehnte lang entwickelte sich die Region zur Kultstätte für Mountainbiker. Diesen Kultstatus hat das Gebiet zwischen Tremalzo und Altissimo verloren. Die Mountainbike-Szene ist weitergezogen. Die Trails am Gardasee scheinen ihre Faszination verloren zu haben. Wir widersetzen uns dem Trend und möchten ein Revival am Lago di Garda feiern. Die Frage, die uns leitet: Verhilft uns das eBike zu neuen Chancen, noch unbefahrene Regionen des Gardasees zu entdecken? So viel sei verraten: Wir sind auf unsere Kosten gekommen.

Der Pfad windet sich in fünf Spitzkehren auf losem Geröll durch eine Felswand nach oben. Ohne Motor ist die Auffahrt unfahrbar – selbst für Athleten mit strammen Waden. Auch uns eMountainbikern verlangen die Stufen, Steine und 180-Grad-Kehren alles ab. Doch mit Motorkraft und Willensstärke lässt sich der schmale Steig meistern. Die Belohnung ist den Nervenkitzel allemal wert. Noch bevor die Tour zum großen Finale auf den Gipfel des Monte Carone führt, offenbart ein kurzer Abstecher auf die Nase des Punta de Mois einen gigantischen Ausblick über den Gardasee – von Limone bis Sirmione. Ein Aussichtspunkt, den kaum jemand kennt, am wenigsten Biker.

Aber alles auf Anfang. Wir starten unsere Tour in Campione. Von Campione aus misst unsere Route 1.200 Höhenmeter hinauf zum Passo Nota. Eine Tour, die den meisten Lago-Bikern bekannt sein dürfte. Doch das ist nur der Anfang, denn unser Ziel ist ein Gipfel, der weder im legendären Moser Bike Guide noch im bike Magazin Erwähnung findet: der Monte Carone. Hier wartet nicht nur eine gigantische Aussicht auf uns, sondern auch ein Uphill-Trail, der nur mit dem eMountainbike Fahrspaß verspricht.

Die Beschilderung von Campione nach Pieve führt uns über die stillgelegte Gardesana-Straße hin zur Strada della Forra. Die Strada della Forra ist eine Panoramastraße in einer malerischen Naturkulisse – sie ist die wohl berühmteste Straße am Gardasee. Weltbekannt wurde die Strada della Forra durch den James-Bond-Film ein Quantum Trost.

Durch eine beeindruckende Schlucht führt die Straße hoch nach Pieve, von dort weiter nach Vesio. Doch Vorsicht: Die Strada della Forra ist leider gesperrt, da einer der Tunnel einsturzgefährdet ist. Winston Churchill soll die Straße seiner Zeit als achtes Weltwunder gefeiert haben.

Unter diesem Link findet ihr die beschriebene Tour auf Outdooractive mit allen Details und GPS-Tracks zum Downloaden.

Bleiben wir für einen Moment bei der Historie: Das bike Magazin hat das Nordufer des Gardasees für Mountainbiker populär gemacht. Durch den Moser Bike Guide wurde die Region unter Bikern zur Legende. Zwei Jahrzehnte lang tummelte sich die Mountainbike-Szene zwischen Mecki Bar und Tremalzo. Adrenalin-Junkies zog es zum legendären 601, Vertrider zu den Steilhängen des Dalco und Streckenentdecker ins Hinterland von Ledro. Die Gardaseeregion hatte für jeden etwas zu bieten.

Heute ist alles anders: Rennradfahrer und Gravel-Biker dominieren die Region. Es scheint, als hätte der Kultort seinen Kultstatus verloren. Die Mountainbike-Szene ist weiter gezogen. Weiter in den Süden. Das neue Mekka heißt Finale Ligure.

Für uns hat der Gardasee genauso viel Charme wie früher. Nach über zwei Jahrzehnten sind wir immer noch begeistert von den Steilklippen am Ufer des tiefblauen Sees. Der Blick von den Gipfeln, die den Gardasee säumen, ist einzigartig. In dieser Landschaft muss es doch noch Trails geben, die uns Mountainbiker auch heute noch begeistern können.

Und genau so ist es. Nachdem wir den Passo Nota passiert haben, erreichen wir das Refugio Baita Segala – eine Selbstversorgerhütte, die Lago-Bikern für ihr Weindepot bekannt sein dürfte. Nachdem wir uns an der Hütte mit einem Kaffee gestärkt haben, folgen wir unserer Route in Richtung Passo Guil und biegen knapp 1 km nach der Hütte in einen schmalen Singletrail ein – bergauf. Ab hier beginnt die eingangs beschriebene Spitzkehrenauffahrt zum Aussichtspunkt am Punta de Mois.

Der Trail verläuft wenige Meter neben dem Abgrund, wo die Felsklippen des Punta de Mois senkrecht in die Tiefe stürzen. Das macht den Ort zu einem unvergleichlichen Aussichtspunkt. Allerdings ist der Trail eine Sackgasse. Zurück auf der Route geht es nun 300 Höhenmeter auf einem Wanderweg über zahlreiche Hangquerungen hoch zum Gipfel des Monte Carone. Die Auffahrt ist anspruchsvoll, für technisch geübte eMountainbiker aber machbar. Hier kommt Uphill-Flow auf.

Auf der anderen Seite der leicht bewaldeten Bergflanke wartet ein weiterer Trail – unsere Abfahrt. Vom 1.621 Meter hohen Gipfel des Monte Carone geht überwiegend auf Trails weit nach unten, bis nach Pregasina das auf 503 Metern über Meeresspiegel liegt. Die 1.100 Tiefenmeter lange Abfahrt ist abwechselungsreich und führt über die Malga Vil Hochebene zum Passo Guil und weiter bis zum Passo Rochetta. Zu unserer Enttäuschung müssen wir feststellen, dass der Trail vom Passo Rochetta zur Malga Palaer glatt gebügelt wurde. Der einstige Singlertrail wurde so sehr begradigt, dass man ihn jetzt mit dem Gavel Bike berghoch fahren kann.

Wir erreichen Pregasina und lassen unsere Tour auf der Terrasse des Panorama Hotels mit voller Zufriedenheit ausklingen. Zusammen kommt unsere fünfköpfige Gruppe auf 80 Jahre Gardaseeerfahrung, doch am Monte Carone waren wir bisher nie. Schön, dass der Gardasee neben seinen Klassikern eben doch noch mehr zu bieten hat. Und die nächste Entdeckungstour ist bereits in Planung.

Bilder: Markus Greber | Skyshot GmbH