ZF CentriX im Test
Der neue ZF CentriX Motor ist fast so kompakt wie eine Bierdose und macht mit 90 Nm Drehmoment ordentlich Druck. Ob das System Potenzial hat, haben wir in einem ersten Test herausgefunden.
Anders als Bosch: Axial ausgerichtetes Getriebe
Damit der axial ausgerichtete Aufbau des Motors funktioniert, bedient sich ZF eines Wellgetriebes. Diese Getriebeart ist primär vom Getriebespezialisten Harmonic Drive bekannt und wurde ursprünglich für die Robotik entwickelt, um Drehbewegungen spielfrei und punktgenau steuern zu können. Beim CentriX Motor sitzt das Wellgetriebe auf derselben Achse wie die E-Maschine und überträgt das Drehmoment des Motors mit nur einer Getriebestufe auf die Antriebswelle.
Auch das soll dem Motor eine besonders hohe Effizienz einbringen. Bei den meisten E-Bike-Motoren liegen die E-Maschine und die Antriebswelle auf zwei unterschiedlichen Achsen und sind über ein Planetengetriebe miteinander verbunden. Auch wenn ein Wellgetriebe bei E-Bike-Motoren bisher unüblich ist, so setzt TQ schon seit dem kraftvollen HRP120 und auch beim neuen HRP50 auf dieses Getriebekonzept.
48 V Systemspannung für mehr Effizienz
Innovation Nummer drei ist die Spannung des Systems. Das System arbeitet mit einer Spannung von 48V. Zum Vergleich: Boschs Performance Line CX System hat eine Spannung von 36V. Durch die höhere Spannung reduziert sich der Widerstand im System, wodurch der Motor weniger Wärme entwickeln soll.
Auch die Effizienz soll durch reduzierte Widerstandsverluste begünstigt werden. Auch ein 48V System ist nichts gänzlich Neues: Schon der Vorgänger, der noch unter der Marke Sachs vermarktet wurde, basierte auf einem 48V System – genau wie der Brose Drive³ Peak-Motor und auch der neue DJI Avionix.
Motor: Wie gehen Bemaßung und Leistung zusammen?
Einen kompakten Motor bauen, ist das eine. Einem so kompakten Motor 90 Nm Drehmoment und 600 W Spitzenleistung zu entlocken, ist das andere. Eine Kombination, die auch nach hinten losgehen kann: nämlich dann, wenn im kompakten Gehäuse Wärmestau entsteht. Die Kunst liegt im Heat Management.
Mit dem 48-Volt-System möchte ZF die Wärmeentwicklung aufgrund eines geringeren Stromflusses gemildert haben. Zudem dreht das Wellgetriebe durch ein Ölbad, was das System einerseits schmieren, andererseits aber auch Wärme aufnehmen und ableiten soll.
Damit der Motor extremen Belastungen lange standhält, hat ZF eine Überlastkupplung integriert – eine Art Drehmomentbegrenzer wie bei einem Drehmomentschlüssel. Wird das maximal zulässige Drehmoment überschritten, löst die Kupplung aus und schützt das System vor überlastbedingten Schäden.
Die Akku-Optionen
Das Thema Akkugröße spaltet E-Bike-Fahrer wie kaum ein anderes. Den einen reichen kompakte Akkus für die tägliche Feierabendrunde, die anderen treibt die Reichweitenangst zum größtmöglichen Akku. Doch in einer Sache sind sich alle einig: im Gelände ist ein leichtes E-Bike ein Segen. Und geringes Gewicht erkauft man sich meist durch kleinere Akkus.
Die Battery Rail von ZF soll E-Bikern die Wahl nun erleichtern, denn man muss sich beim Kauf des E-Bikes nicht mehr auf einen Akku festlegen. Die Battery Rail ist eine Schiene, die fest im Rahmen sitzt und auf die der Akku aufgesteckt wird. Zudem soll die Schiene den Akku so stabil sichern, dass Systemausfälle aufgrund von Kontaktverlust der Vergangenheit angehören. Gesichert wird der Akku am unteren Ende der Battery Rail mit einem Akkuschloss. Akku und Schloss liegen unter dem Akku Cover versteckt – so zumindest beim Vorführbike, dem neuen Raymon Tarok.
Schiene und Akku erlauben als Kombi-System sowohl den einen als auch den anderen Akku. Der eine ist ein 4,2 kg schwerer 756-Wh-Akku, der andere ein 3,2 kg leichter 504-Wh-Akku. Wer sich den Luxus erlauben möchte, kauft beide Akkus und wählt je nach Tour den passenden Akku. Für die kurze Feierabendrunde profitiert man dann vom geringen Gewicht des kleinen Akkus, für die lange Tagestour von der großen Reichweite des großen Akkus.
Akku-Größe | Gewicht |
756 Wh | 4,2 kg |
504-Wh | 3,2 kg |
Der Core Controller & Remote
Die Hauptschnittstelle zwischen Fahrer und Bike ist der Core Controller. Der sitzt im Oberrohr und bietet alle Funktionen, um das E-System bedienen zu können. Das ZF System lässt sich also auch puristisch, ohne Remote und Display nutzen.
Außerdem bietet der Core Controller einen magnetischen Ladeport – ähnlich dem MagSafe-System von Apple. Über diesen Ladeport und das Zubehör-Kabel können Smartphone oder Licht während der Fahrt über den Hauptakku mit Energie versorgt werden.
Die Pure Remote ist eine reduzierte Fernbedienung für die linke Lenkerseite. Gegenüber dem Core Controller lässt sich mit der Pure Remote auch die Schiebehilfe nutzen.
Das optionale Display des ZF Centrix
Wer während der Fahrt alle Infos auf einen Blick haben möchte, der montiert das 2,8” große Color Display mit Touch Screen. Auch Navigation kann das Display – das allerdings nur im Turn-by-Turn Format, also von einem Abbiegepunkt zum nächsten.
Und dann wäre da natürlich noch die ZF App, mit der sich der Motor und seine Charakteristik individuell einstellen lässt. Zudem können Updates für das Motorsystem via App “Over The Air” ans System übertragen werden.
Die Bedienung lässt keine Wünsche offen. Die Haptik aller Bedienelemente ist angenehm und sehr definiert. Die Knöpfe der Pure Remote sind gut zu erreichen und der Druckpunkt deutlich zu spüren.
Die Berührungen des Fingers nimmt das Display schnell und präzise an – so wie wir es heutzutage von Smartphones gewohnt sind. Die Informationen sind deutlich zu sehen und gut abzulesen. Spannend ist der Frontscreen, der sowohl die aktuelle Motorleistung als auch die Eigenleistung darstellt.
Wie fährt sich das ZF System?
ZF präsentierte uns im Rahmen einer Presseveranstaltung eine seriennahe Version des ZF Bike Eco-Systems mit CentriX Motoreinheit. Dennoch betonte ZF das Vorserienstadium des Antriebs und verwies explizit auf die Software, welche bisher nicht marktreif sei.
Nun aber ab ins Gelände. Der Motor reagiert blitzschnell auf den Anfahrimpuls des Fahrers und so ist auch das Anfahren an steilen Rampen und auf losem Boden ein Kinderspiel. Die Beschleunigung ist beachtlich. Die Kombination aus 600 W Spitzenleistung und 90 Nm Drehmoment sorgt für einen ordentlichen Durchzug. Vor allem im Uphill trumpft der Motor auf.
Anders als viele andere Motorsysteme schiebt der Motor schon bei niedrigen Kadenzen kräftig an. Die Kraftentfaltung unterstützt den Bereich von 0 – 15 km/h besonders deutlich. Wer sich steile Rampen und technische Trails hinaufkämpft, der darf sich über viel Unterstützung freuen. Punch ist sicherlich das treffendste Wort, um die Charakteristik beim Beschleunigen zu beschreiben. Nach oben raus hat man dann aber das Gefühl, als würde es dem Motor etwas an Nachdruck fehlen. Das ist faktisch nicht der Fall – nur fühlt sich die Beschleunigung von unten raus eben so markant an, dass der Wow-Effekt nach oben raus nicht durchhält.
Vor allem auf technischen Uphills hat mir die Charakteristik des Motors besonders gut gefallen. Man ist nicht gezwungen, die Trittfrequenz hochzuhalten, um dem Motor seine Power zu entlocken. Schnelles Treten kann sich in manchem Gelände schnell hektisch anfühlen, wodurch der Fokus auf den Trail leidet. Der ZF schafft es, auch bei niedrigen Kadenzen schon kräftig anzuschieben, wodurch ich mich voll aufs Fahren konzentrieren konnte.
Das markante Anfahrverhalten bezeugt der Motor mit einer ebenso markanten Geräuschkulisse. Im Vergleich zu den gängigsten Full-Power-Motoren am Markt kam mir der ZF CentriX lauter vor – eine handfeste Geräuschmessung war aber nicht möglich. Der Sound des Motors klingt nicht so hochfrequent wie viele andere Motoren – der Motor klingt weniger nach Elektronik, sondern mehr nach Mechanik: markant, kräftig, kernig – so würde ich die Geräuschkulisse beschreiben.
Grund für den kernigen Klang könnte das Wellgetriebe sein, bei dem sich in einer Art gezahnten Trommel mehrere Zähne zeitgleich im Eingriff befinden. Abgesehen vom Motorklang ist das System flüsterleise, sobald die Kurbeln stehen bleiben und man in den Downhill einbiegt. Lästiges Klappern gibt es am ZF Motor nicht zu hören.
Ganzheitlicher Ansatz bis zum Kabelbaum
Für Endkunden nicht so wichtig, aber für Händler ein Segen: der schlanke Kabelbaum des ZF Bike Eco Systems. Um die Anzahl an Kabeln und deren Länge auf ein Minimum zu reduzieren, hat sich ZF für eine clevere Anordnung der Steckplätze entschieden. Alle elektronischen Bauteile, die in Fahrrichtung zeigen, werden am Core Controller im Oberrohr angesteckt.
Alle Bauteile, die in der Rahmenmitte liegen oder nach hinten zeigen, werden an der unteren Akku-Aufnahme angesteckt – die hört auf den Namen “Battery Terminal”. Damit verläuft nur ein Kabel durch das Unterrohr – nämlich vom Core Controller zum Battery Terminal. Alle Verbindungen sind einfach per Stecker und Buchse gesteckt.
Die Steckplätze im Core Controller und dem Battery Terminal erlauben auch Erweiterungen mit elektronischem Zubehör wie einer Lichtanlage.
Pros
- Ordentlich Punch - vor allem von unten raus
- Spannende Optik im kompakten Format
- Effizient: 48 V Spannung reduziert Widerstandsverluste
- Wartungsfreundlich aufgrund von reduziertem Kabelbaum und cleverer Motoraufnahme
Cons
- unüberhörbare Motorgeräusche
- Akkumentnahme nur mit Schlüssel möglich
- immer noch im Vorserienstadium
- derzeit keine Erfahrungswerte über Langzeithaltbarkeit
- nur wenige Bike-Modelle zur Auswahl
Aktuell nur in Raymon Tarok Modellen
Aktuell wird der neue Motor ausschließlich in den Raymon Tarok Modellen angeboten. Die Auslieferung der Bikes dauert sicher noch bis zum zweiten Quartal 2025. Wir haben für euch schon mal die Ausstattungsvarianten gecheckt. Mit dem Pfeilsymbol könnt ihr diese auch in den Vergleich ziehen, um die unterschiedlichen Ausstattungsmerkmale zu vergleichen. Das geht auch mit jedem anderen Bike aus unserer großen Marktübersicht.
Fazit zum ZF Centrix-Motor
Der ZF CentriX Motor und das ZF Bike Eco System begeistern schon im aktuellen Vorserienstand. Der kräftige Punch des Motors begeistert vor allem beim Anfahren und auf steilen sowie technischen Uphills. Zudem ist die Form des Motors ein Hingucker und die dadurch entstehenden Möglichkeiten im Rahmenbau eine tolle Bereicherung für den E-Bike-Markt.