Conway Ryvon LT im Test
Das Conway RYVON LT ist 19 Kilo leicht, hat 170 mm Federweg und einen Akku, den man in weniger als 30 Sekunden wechseln kann. Können die verlockenden Fakten auch im Praxistest überzeugen?
heiß diskutiert
Das Akkukonzept von Light EMTBs
Wer bergab Spaß haben will, der gibt sich nicht nur mit einer Abfahrt zufrieden, sondern möchte am liebsten den ganzen Tag Partylaps drehen. Das steht aber im Konflikt mit den aktuellen Light-E-Bike-Konzepten. Mit kleinen Akkus von 320 – 430 Wattstunden ist die Reichweite bei Light-EMTBs nämlich begrenzt.
Wer es drauf anlegt, der saugt den 400 Wh Akku im Unterrohr mit dem Bosch SX Motor schnell leer. Im Turbomodus braucht es dafür keine 1000 Höhenmeter. Wer höher hinaus will, kann sich vom Uphillflow verabschieden. Denn das geht nur im Tour oder Eco Modus.
Bei der Frage nach der maximalen Reichweite verweisen viele Hersteller auf die Möglichkeit, einen Range Extender auf dem Unterrohr zu installieren. Der große Nachteil des Range Extenders ist jedoch, dass er zusätzlich zum ohnehin schon vorhandenen Akku auf dem Unterrohr installiert wird. Das treibt das Gewicht des Bikes, im Fall eines Bosch Powerpack um 1,6 Kilo nach oben. Conway hat sich offensichtlich nicht mit der Lösung des Range Extenders zufriedengegeben, sondern hat das Thema weitergedacht.
kühl kalkuliert
Wechselakku statt Range Extender
Das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis und auch das bessere Gewicht pro Wattstunde bietet definitiv der Wechselakku. Mit 400 Wattstunden fällt die Kapazität des Compact-Tube-Akkus 60% größer aus als beim Power More Range Extender. Dabei kostet der Compact-Tube-Akku auf dem Markt gerade mal 100 Euro mehr.
Und genau das hat Conway für sich erkannt. Ein weiterer Vorteil dieser Strategie: Der zweite Akku erhöht nicht das Gewicht am Rad. Er würde zwar locker in einen Rucksack passen. In der Praxis wird der Wechselakku aber meist im Tal, z.B. im Auto platziert und tritt erst in Erscheinung, wenn der erste Akku leer ist.
Bosch Compact Tube | Bosch Power More | |
Kapazität | 400 Wh | 250 Wh |
Gewicht | 2 Kilo | 1,6 Kilo |
Marktpreis | ca. 549 € | ca. 449 € |
konsequent durchgezogen
Leben ohne Ladebuchse
Passend zum Konzept mit einem zweiten Akku hat Conway dem Ryvon LT ein Schnellwechsel-System spendiert. Der Akku lässt sich völlig werkzeuglos und mit nur einem Knopfdruck aus dem Unterrohr entnehmen. Das Unterrohr-Cover findet dabei am Oberrohr mit einer Magnetsicherung seinen Platz. Eine kleine Sicherungsfeder sorgt dafür, dass der Akku beim Wechsel nicht auf den Boden fällt. Wer das System durchschaut hat, packt den Akku-Aus- und Einbau in weniger als einer Minute.
Mit dem Weglassen der Ladebuchse, beweist Conway den Mut zu einer konsequenten Entscheidung. Denn wenn der Akkuausbau so schnell geht, ist das für das Laden kein Hindernis. Und eine externe Ladebuchse am Rahmen erhöht nicht nur das Gewicht, sondern auch die Defektanfälligkeit. In der Tat hatten auch wir während unserer Tests gelegentlich schon mit ausgerissenen oder beschädigten Ladebuchsen zu kämpfen.
Steifigkeit vs. Wechselakku
In der Praxis fordert die große Öffnung im Unterrohr aber auch ihren Tribut. Der Ryvon LT-Rahmen ist dadurch nicht gerade der steifste Rahmen unter den Light-EMTBs. Gerade im Bereich des Motorinterfaces und im Übergang zum Hinterbau weist der Rahmen deutlich mehr Flex auf als zum Beispiel der des zuletzt vorgestellten Canyon Neuron ON:fly.
Das ist ein Punkt, den wir in unserem Test natürlich nicht verschweigen, der auf dem Trail aber keine negativen Auswirkungen hatte. Die Fahraufnahmen aus dem Video belegen ganz klar: Das Ryvon lässt sich ordentlich bergab knüppeln.
Der Rahmen verzeiht aufgrund seiner Konstruktion sogar so manchen Fahrfehler und fühlt sich dadurch sehr gutmütig an. Diese These hatte schon die MTB-Legende Nico Vouilloz vertreten. Der ehemalige Downhill-Weltmeister hat schon immer gesagt:
Ein nicht zu steifes Rad sucht sich seinen Weg im rauen Gelände oft besser als jeder Fahrer.
Der Hinterbau ist nicht nur steifer als der Hauptrahmen, er weist zudem auch eine wirklich üppige Reifenfreiheit auf. Hier gibt es wirklich keinerlei Probleme, dass der Reifen an den Ketten- oder Sitzstreben schleift.
Ausstattung zum Shredden
Trotz schlanken 19 Kilo Gesamtgewicht setzt Conway auf eine kompromisslos haltbare Ausstattung. Am Hinterrad kommt ein Maxxis Minion DHR2 mit solider Double Down Karkasse zum Einsatz. Am Vorderrad kommt ein EXO+ Reifen zum Einsatz.
Der Acros Carbon Laufradsatz hat trotz harter Gangart während unseres Tests keinerlei Schwächen gezeigt. Srams X0 Transmission Schaltung verrichtet ihren Dienst völlig unabhängig vom Terrain super zuverlässig. Das Schaltungsensemble ist der Di2-Schaltung von Shimano, die wir zuletzt am Orbea Rise getestet hatten, deutlich überlegen.
Mit TRP Bremsen hatten wir bislang nicht nur gute Erfahrungen gemacht, wurden in diesem Fall aber überrascht. Die DHR Evo Bremsen haben nicht nur eine sehr gute Modulation, sondern strotzen auch vor Power. Die große 220er-Scheibe am Vorderrad ist wie eine Lebensversicherung, wenn es im Gelände zur Sache geht. Außerdem auch gut: In den Bremssattel passen Shimano Beläge, die man an jeder Ecke bekommt.
Wie hart kann man das Ryvon LT auf dem Trail rannehmen?
Extrem hart! Die Trails rund um Latsch sind für garstige Steinfelder bekannt. Doch davon hat sich das Ryvon LT während unseres Tests eher unbeeindruckt gezeigt. Erhebt man sich vom Sattel, hat man das Gefühl, gut im Rad integriert zu sein. Dank der tiefen Front bringt man ordentlich Druck aufs Vorderrad, wodurch das Rad super sicher durch Kurven geht. Es gibt kein Untersteuern und auch kein Übersteuern und dementsprechend auch keine bösen Überraschungen in Kurven. Man kann sich darauf verlassen, dass das Rad sicher durch Kurven durchzieht.
Die Entscheidung an der Front bei 170 mm Federweg auf eine 36er und nicht auf eine 38er-Gabel von Fox zu setzen, passt zum Konzept des Rades, welches nicht vollkommen auf Steifigkeit ausgelegt ist. Der fette Dämpfer im Heck hat selbst bei langen Abfahrten von mehr als 500 hm kein Temperaturproblem und liefert seine Leistung konstant.
In der Abfahrt kann das Ryvon LT überzeugen. Es macht richtig viel Spaß, vermittelt sehr viel Sicherheit und verhält sich so gutmütig, dass man sich traut, den eigenen Grenzbereich auszuloten.
Der Bosch SX Motor
Der Bosch-SX-Motor ist rund ein Kilo leichter als sein Full-Power-Pendant (der Bosch CX) und baut auch etwas kleiner. Und dennoch liefert er auf dem Datenblatt mit 600 Watt eine ähnliche Spitzenleistung. Damit ist der Motor den Motoren von TQ und Fazua deutlich überlegen, hat aber auch eine ganz klare Einschränkung.
Denn im Uphill schiebt der Bosch SX nur dann kräftig an, wenn die Trittfrequenz stimmt. Während der Bosch CX, also das Full Power Modell, seine volle Leistung über ein breites Drehzahlband ab etwa 50 Umdrehungen pro Minute abruft, passiert bei niedriger Trittfrequenz mit dem SX relativ wenig.
Erst ab 90 Umdrehungen pro Minute und mehr entfaltet der Bosch SX-Motor seine volle Leistung. Wenn man das als Fahrer schafft, beeindruckt der Motor mit einer sportlichen Charakteristik und starker Unterstützung. Nur in den Sattel zu steigen und die Beine auf die Pedale fallen zu lassen, reicht nicht aus, um den Bosch SX Motor in den gewünschten Arbeitsbereich zu bringen.
Bei der Geräuschkulisse erinnert der Bosch SX an den großen Bruder mit deutlich hörbarem Surren, sobald man dem Motor Leistung abverlangt. Wir hatten gehofft, dass Bosch das Getriebeklappern, das man vom Bosch CX, aber auch dem Shimano EP8 oder EP801 kennt, beim SX in den Griff bekommen hat, wurden aber enttäuscht. Hier sind sowohl der TQ als auch der Fazua Motor einen Schritt voraus.
Die tiefe Front lässt das Vorderrad auch bei vollem Motorschub förmlich am Boden kleben. Somit kann man sehr kontrolliert auch enge Kurven berghoch fahren. Mit 165 mm fallen die Kurbeln nicht lang aus, setzen im verblockten Gelände aber dennoch gelegentlich auf.
Bosch SX | Fazua Ride 60 | TQ HPR 50 | |
Leistung (Spitze) | bis zu 600 Watt | bis zu 450 Watt | bis zu 300 Watt |
Drehmoment | 65 NM | 60 NM | 50 NM |
Fahrgeräusch | deutlich hörbar | leise | kaum zu hören |
Getrieberasseln | Getriebe klappert im trail weniger als beim Bosch CX aber klappert dennoch deutlich hörbar. | Der Freilauf des Motors klappert weniger als beim Bosch SX, aber er klappert dennoch leise. | Die Ping-Ring Technologie ist auf Trail absolut leise. |
Akkusysteme | wird meist mit Boschs Compacttube 400 (Wh) | 430 Wh Akku ohne Option auf Range Extender | 360 Wh Akku + Option auf Range Extender |
Kurzcharakteristik | Leistungsstarker Sportler, der bei hoher Trittfrequenz und entsprechender Eigenleistung fast schiebt wie ein Fullpower Motor. | Schiebt, auch bei geringer Trittfrequenz kräftig an und wendet sich mit seiner Boost Funktion an sportliche User.b Stärker als TQ, dezenter als Bosch. | Optisch, geräuschtechnisch und von der Unterstützungscharakteristik her ist er der dezenteste EMTB Motor auf dem Markt. Sehr natürliches Fahrgefühl. |
Links zu den Bikes | Alle Bikes mit Bosch SX | Alle Bikes mit Fazua Ride 60 | Alle Bikes mit TQ HPR 50 |
Alle Conway Ryvon Bikes auf einem Blick
Mit 10.000 € schlägt unser Testbike ordentlich zu Buche. Für 3.400 € weniger ist die 4.0er-Version wohl deutlich näher an der Realität der meisten Biker. Zumal das Bike nur 1,3 Kilo mehr wiegt. Wer keine 170 mm Federweg braucht, bekommt das Ryvon ST mit weniger Federweg in einer sportlicheren Ausführung. Wir haben einen Blick auf alle Optionen geworfen. Mit dem Pfeil-Symbol , könnt ihr die einzelnen Modelle auch in den Vergleich mit jedem anderen Bike aus unserer großen Marktübersicht ziehen.
Conway Ryvon LT 10.0
Das smarte Akku-Konzept bietet die Möglichkeit, die Reichweite des Ryvon LTs zu verdoppeln. So wird auch ein langer Tag im Sattel möglich. Und mit seinen schlanken 19 Kilo fährt sich das Rad fast so agil wie ein Enduro-Bike ohne Motor. Hier spielt das Ryvon LT den Joker gegenüber klassischen Full Power E-MTBs und trifft eine Lücke, die aktuell kein anderer Hersteller so ausschmückt.
Wer ein leichtes Enduro mit Wechselakku sucht, wird beim Conway Ryvon LT fündig. Der Fahrspaß bergab wird lediglich durch den Sound des Bosch SX etwas getrübt. Bergauf muss man eine hohe Trittfrequenz anlegen lassen, um dem Motor seine volle Leistung zu entlocken.