Trail-Geballer schon im Uphill?

Pivot Shuttle LT 2025 Test

Pivot ist für ausgefallene Bikes zu exklusiven Preisen bekannt. Und auch das neue Pivot Shuttle LT EMTB passt in dieses Schema. Jenseits des Preises verlässt das EMTB mit 170 mm Federweg aber die gewohnten Pfade.

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Aus welchem Grund steigst du auf’s Bike? Um die Seele baumeln zu lassen? Um an deiner Fitness zu feilen? Oder um dir im Gelände deine Dosis Adrenalin zu holen? Wenn du zur Fraktion der Adrenalin-Junkies gehörst, dann könnte das neue Pivot Shuttle LT das richtige Werkzeug für dich sein. 170 mm Federweg für berauschende Downhills und ein kräftiger Bosch CX Race-Motor für fordernde Uphills. Ob das Shuttle LT wirklich die doppelte Portion Trail-Vergnügen liefern kann, haben wir auf den Trails rund um Freiburg herausgefunden.

Pivot Shuttle LT Test
170 mm Federweg muss man erst mal so sexy verpacken. Das neue Pivot Shuttle LT hat ein Design der Extraklasse.
Pivot Shuttle LT Test
Aber was kann es auf dem Trail?
Pivot Shuttle LT-Test
Und vor allem: Bekommt man für den stattlichen Preis auch bergauf genügend Fahrspaß?

Hast du das Zeug zum Shuttle-Piloten?

Seit Langem bin ich kein Bike mehr gefahren, das einen so starken und gleichzeitig vielschichtigen Charakter hat. Dieses Bike mit all seinen Facetten zu beschreiben, hat meinen Kopf zum Qualmen gebracht. Doch bevor ich euch einlade, kopfvoraus ins Rabbit-Hole zu springen, eines vorweg: unter allen Betrachtungsweisen kann ich dem Shuttle LT ein Borderline-Syndrom attestieren.

Das Borderline-Syndrom ist von einem Schwarz-Weiß-Denken geprägt. Schwarz-Weiß erscheint auch die Welt im Sattel des neuen Shuttle LT. Dieses E-MTB teilt seine Fahrer in zwei Schubladen ein: Entweder du bist Pilot, oder du wirst zum Passagier – ob du willst oder nicht. Was es braucht, um Pilot zu werden? Den Mut, die Bremsen aufzumachen. Die Kraft, dem Bike die Richtung vorzugeben. Und die Körperspannung, um über dem Cockpit zu stehen.

Nur wer dem Bike den Speed zugesteht, nach dem es verlangt, der wird die wahren Vorzüge des Shuttle LT auskosten können. Bis dahin kann es ein weiter Weg sein – und einer mit einigen Wirrungen, wie ich selbst erleben musste. Ich hoffe, euch meinen Weg zum Piloten des Shuttle LT in diesem Test plausibel darlegen zu können.

Pivit Shuttle LT Erfahrung
Need for Speed! Das Pivot Shuttle LT ist wie eine 2-Takt-Motocross-Maschine. Richtig geil fahren sich beide nämlich erst, wenn man den Gashahn voll aufdreht.

Eine Frage der Größe an einem Bike von Format

Wie ein Space Shuttle ist auch das Shuttle LT eine Maschine von Format – und das im wahrsten Sinne. Das Bike ist lang, wirklich lang. Und das sagt einer, der sich auf langen Rädern erst so richtig zuhause fühlt. Mit einer Körpergröße von 1,81 greife ich für gewöhnlich immer zu Rahmengröße L. Doch beim Shuttle LT liege ich genau zwischen den Größen – zwischen M und L.

Ich mag lange Räder – ich mag die Laufruhe, die sie vermitteln, die damit einhergehende Sicherheit zugunsten meiner Komfortzone und den Bewegungsfreiraum über dem Bike. Also wähle ich auch das Shuttle LT in Gr. L. Im Nachgang muss ich sagen: Bei den Geometriewerten wäre ich eventuell auch mit einem M sogar besser zurechtgekommen.

Gegenüber anderen E-MTBs dieser Klasse sitzt man gestreckter auf dem Shuttle LT. Kein Wunder, die Oberrohrlänge misst stattliche 650 mm. Zum Vergleich: das kürzlich getestete Santa Cruz Vala hat eine Oberrohrlänge von 622 mm – das sind 27 mm Unterschied. Stell dir vor, du montierst einen 2 cm längeren Vorbau auf deinem Bike – dann weißt du, wie sich 2 cm auf die Sitzposition auswirken.

Wer das Vala und das Pivot direkt vergleichen will, kann das hier:

Der Sitzwinkel ist mit 77° sogar noch recht steil – ein klares Indiz für die Länge des Hauptrahmens. Im Stehen spürt man die Länge auch im Reach – 488 mm misst der Hauptrahmen in Gr. L. Die Höhe der Front beläuft sich im Stack auf satte 645 mm. Kurzum: das Shuttle LT ist lang – das bestätigt auch der Radstand von 1.281 mm. Das wirft die Frage zur Wendigkeit auf? Denn ein Koloss wie das Space Shuttle kennt bekanntlich nur eine Richtung: geradeaus. Ob das Shuttle LT wohl auch Richtungswechsel kann?

SIZE XXS XS S M L XL XXL
Hersteller-Größenbezeichnung
-
-
sm
md
lg
xl
-
Laufradgröße
-
-
29 / 27,5 Mullet
29 / 27,5 Mullet
29 / 27,5 Mullet
29 / 27,5 Mullet
-
Stack
-
-
636
645
654
663
-
Reach
-
-
445
468
488
510
-
Oberrohrlänge
-
-
605
630
650
669
-
Sitzrohrlänge
-
-
370
400
430
470
-
Sitzwinkel
-
-
76,5
76,5
77
77,5
-
Steuerrohrlänge
-
-
110
120
130
140
-
Lenkwinkel
-
-
64
64
64
64
-
Tretlagerabsenkung
-
-
12,7
12,7
12,8
12,8
-
Tretlagerhöhe (absolut)
-
-
350
350
350
350
-
Kettenstrebenlänge
-
-
439
439
439
439
-
Radstand
-
-
1230
1256
1281
1307
-
Überstandshöhe
-
-
686
690
692
693
-
Pivot Shuttle Test
Länge läuft. An den Rohren haben die Amis nicht gespart und überall ein paar Millimeter mehr als üblich dazugepackt. Das Ergebnis: Das Bike fällt groß aus.

Holzklasse. Business-Class. First Class. Mehr Luxus bietet nur die Raumfahrt.

Wie das Space Shuttle, bringt auch das Shuttle LT eine stattliche Masse auf die Waage. Satte 23,78 kg zeigt die Waage an – und das in der 11.399 € teuren Mittelklasse-Ausstattung namens “Pro” – oder genauer gesagt “PRO XO Eagle Transmission”.

An dieser Stelle dürften einige von euch schon aufheulen. “11.399 €? “Mittelklasse”? Was? In der Tat ist das von uns getestete Shuttle LT Pro die mittlere von drei Ausstattungsvarianten. Für das Top-Modell namens “Team” muss der Geldbeutel um weitere 2.000 Euro erleichtert werden.

Wem 13.399 € immer noch nicht Luxus genug sind, der legt weitere 2.000 Euro für Upgrades oben drauf und bekommt dann Fox’ elektrisches Live-Valve-NEO Fahrwerk mit Stahlfederdämpfer und einen Bosch Power More Range Extender. Damit liegt die bestmögliche Spezifikation des neuen Shuttle LT bei… haltet euch fest: 15.999 €.

Ich sag’s mal so: Ein Space Shuttle kostet die NASA auch mehr als ein Segelflieger den Hobbypiloten.

Pivot Shuttle LT Test
Nix für Sparfüchse: Selbst das Shuttle LT Ride Links kostet schon über 8000 €. Das Topmodell rechts liegt tief im 5-stelligen Bereich. Pivot bietet zudem viele Customoptionen an.

Ist das Gier oder der wahre Preis für Qualität?

Nun, um ehrlich zu sein, vermag ich die Frage nicht zu beantworten. Persönlich finde ich Preise in und oberhalb der 10.000-Euro-Liga wahnwitzig. Pivot begründet seine Preise mit der enormen Entwicklungstiefe hinter ihren Bikes – und mit der außergewöhnlich hohen Qualität. So wird jede Rahmengröße individuell entwickelt – und nicht einfach nur von einer Referenzgröße ausgehend hoch oder runter skaliert. Redaktionelle Nebenbemerkung: Specialized beansprucht diesen Entwicklungsansatz ebenfalls für sich.

Ungeachtet des Markenversprechens von Pivot sind dem Shuttle LT allerdings wirklich Details anzusehen, die man in der Qualität und Ausführung selten sieht. Da wäre beispielsweise der Kettenstrebenschutz, der eigentlich Hinterbauschutz heißen müsste. Denn fast das gesamte innere Dreieck des einteiligen Hinterbaus ist mit Protektoren verkleidet. So viel Schutz vor Beschädigungen am Rahmen sieht man gerne an einem Luxusobjekt dieser Preisklasse.

DW-Link-Hinterbau
Ein Preistreiber: Der DW-Link-Hinterbau schlägt mit Lizenzkosten für Entwicklerlegende Dave Weagle zu Buche. Premium kostet!

Auch die Kabelführung und Kabeleingänge zeugen davon, dass man bei Pivot die Kosten für teure Spritzgussformen nicht scheut. Die Kabel verlaufen klassisch an der Seite des Steuerrohrs in den Rahmen. Öffnungen sind für alle erdenklichen Variationen vorhanden – mechanische Schaltung, kabellose Schaltung etc. Ungenutzte Eingänge sind formschön verblendet und gegen Dreck gedichtet.

Die Proportionen und Linien des Rahmens lassen erahnen, wie einwirkende Kräfte fließen und verteilt werden. Steifigkeit dort, wo man sie braucht, Nachgiebigkeit dort, wo man sie wünscht. Das spürt man sogar beim Fahren – denn das Shuttle LT verhält sich unauffällig gutmütig.

Hinterbauschutz
Der komplette Hinterbau ist mit formschlüssigen Gummischonern versehen. Da klappert bergab nix.
Flip-Chip
Außerdem bietet er über einen Flip-Chip auch die Option, zwischen einem 27,5-Zoll oder 29er Hinterrad zu wählen.
Fox Factory Gabel
Anbauteile, wie die 38er Fox Factory Gabel, bekommt man bei anderen Herstellern auch schon zu einem günstigeren Preis.
Tool Mount
Der Tool-Mount am Oberrohr bietet Platz für das nötigste Werkzeug.

Für die harte Gangart gewappnet

Zurück zum Gewicht: Mit 23,78 kg Gesamtgewicht verdient sich Pivot keine Lorbeeren im Kampf um purzelnde Pfunde. Im Duell mit dem vergleichbar ausgestatteten und 21,6 kg leichten Santa Cruz Vala muss das Shuttle den Kürzeren ziehen. Allerdings steckt im Unterrohr des Shuttle ein großer 750er-Akku – also 150 Wh mehr als beim Santa. Das verspricht noch mehr Laps auf den Hometrails. 150 Wh mehr erklären aber nicht den Gewichtsunterschied von 2 kg. Die restlichen 500 Gramm sind bei den Laufrädern zu finden.

Das Shuttle LT steht auf Alu-Laufrädern von DT Swiss und die sind mit soliden Kryptotal Reifen von Continental bestückt – am 27,5” Hinterrad sogar in der Breite 2,6”. Der Laufradsatz bringt 5.860 g auf die Waage – für ein gemischtes Set-Up aus 29” Vorderrad und 27,5” Hinterrad ist das viel. Dementsprechend stabil sind die Reifen und Laufräder aber auch. Pannen hatte ich während des Tests und trotz rabiater Fahrweise keine. Ein Pluspunkt fürs Shuttle.

Das Pivot Shuttle LT ist leicht, aber kein Leichtgewicht. Wir haben es natürlich an die Waage gehängt.
23,78 Kilo sind in Anbetracht des Federwegs und der Ausstattung OK. Für den Preis gibt es aber auch leichtere EMTBs.
Conti Kryptotal Reifen
Sie sind aktuell gehypt, die Kryptotal-Reifen. Aber sie sind auch schwer.

Allerdings hat der schwere Radsatz auch seine Nachteile. Sprints und andere Fahrmanöver, in denen das Bike blitzartig beschleunigt werden soll, werden von der Trägheit der schweren Laufräder ausgebremst. Ein Glück, dass das Bike einen Motor hat.

Das Gewicht der Laufräder macht sich aber auch bei schnellen Richtungswechseln bemerkbar. Das Bike bleibt stur auf seiner Linie – ob der Fahrer will oder nicht. Ad-hoc die Richtung ändern – nur mit sehr viel Krafteinsatz möglich. Dafür vermittelt der ruhige Geradeauslauf des Shuttle LT Sicherheit, denn das Rad lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen.

Pivot Shuttle Gewicht
Hell yes: Ist das Bike einmal auf Schwung, zieht es einem die Mundwinkel hoch. Aber man muss es eben auch auf Schwung bringen.
Pivot Shuttle Gewicht
Schnell mal das Hinterrad anheben? Mit 23,78 Kilo ist das Bike kein Leichtgewicht und das spürt man auch im Handling.

Gilt am E-Bike die Devise, viel hilft viel?

Kommen wir noch einmal zurück auf die Metaphern vom Anfang: das Space Shuttle und der Bike Shuttle. Beide steigen auf. Beide bringen Menschen mit einer Sehnsucht nach oben. So auch das Konzept des Shuttle LT. Es ist nichts weniger als der Ersatz für den stickigen Neunsitzer. Der Möglichmacher, in neue Welten einzutauchen. Beispielsweise die Welt des technischen Uphills. Seine Skills im Gelände ausleben kann man dank E-Bike nicht mehr nur bergab, sondern auch bergauf – wie mit dem Enduro-Motorrad. Vorausgesetzt, das Bike hat genug Bums.

Und damit das Shuttle LT genug Bums hat, sitzt tief im Rahmen Boschs stärkster E-Bike Motor – der CX Race. Der leistet zwar auch nicht mehr als der “normale” CX, unterstützt aber um 60 % mehr. Tritt man mit 100 W in die Pedale, vervierfacht der Motor die eigene Kraft – das ergibt eine Unterstützung von 400 %. Darüber hinaus schiebt der Race Motor im Race Modus ordentlich nach – antippen reicht, und der Motor wühlt sich die nächste Kante hoch. Übrigens: der Race Motor ist in allen Ausstattungsvarianten des Shuttle LT verbaut.

Dem Shuttle LT steht dieser sportliche Motor gut zu Gesicht – er kompensiert die Trägheit des Bikes beim Beschleunigen. Und er harmoniert bestens mit dem grandiosen Hinterbau. Denn was der Motor leistet, bringt der aktive Hinterbau an Traktion auf den Boden. Ohne Traktion ist auch die größte Kraft nichts wert. Pivot scheint das verinnerlicht zu haben, denn auch wenn der Motor mit voller Wucht anschiebt, bügelt das Heck feinfühlig über den Trail. So behält das Hinterrad auch in rauem Gelände Bodenkontakt, wodurch aus Kraft Vorschub wird.

Bosch CX Race-Motor
Bergauf überzeugt der Bosch CX Race Motor mit extra viel Wumms.
Federweg hinten
Mit den 160 mm Federweg im Heck hat man auch im technischen Geläuf genügend Traktion, um den Bumps des Motors auszufahren.

Zwei Wermutstropfen muss man allerdings in Kauf nehmen: Der CX Race Motor basiert in Sachen Formfaktor auf dem jüngst abgelösten CX Gen. 4 Motor (BDU37). Dieser ist an drei Punkten mit dem Motorinterface am Rahmen verschraubt. Der neue BDU38 wird mit nur zwei Montagepunkten am Rahmen befestigt. Heißt – sollte Bosch irgendwann eine Race Version des neuen BDU38 Motors herausbringen, wird dieser wohl nicht am Shuttle LT nachzurüsten sein.

Der zweite Wermutstropfen: genau wie der CX Gen. 4 hat auch der Race Motor das markante Getrieberasseln, das Bosch mit dem neuen BDU38 endlich ruhig gestellt hat. Das ist besonders schade, da das Bike im Ganzen durch eine besonders geringe Geräuschkulisse heraussticht. Die üppigen Rahmenprotektoren und der geringe Kettenschlag reduzieren die Geräuschkulisse auf ein Minimum – umso aufdringlicher die Geräusche des klappernden Motors.

Der 750er Akku ist im Unterrohr verschraubt und lässt sich nicht ohne Weiteres ausbauen. Pivot begründet das mit den Attributen Bauraum, Gewicht und Steifigkeit. Jede Variation, den Akku herausnehmbar zu gestalten, hätte ein höheres Gewicht oder Einbußen bei der Steifigkeit bedeutet. Kompromisse, die Pivot nicht eingehen wollte.

Bosch CX Race-Motor
Der Bosch CX Race Motor basiert auf der alten Motorhardware des Gen 4 Motors. Von der neuen Soundkulisse des Gen 5 Motors kann das Shuttle noch nicht profitieren.
System Controller
Das Shuttle hat kein Display, sondern nur diesen System-Controller mit einer LED-Anzeige.
Bosch Mini Remote
Die Fahrmodi wechselt man elegant mit dem Mini-Remote-Hebel.

Ein Bike für alle Ups und Downs

Es gibt vielfältige Gründe, das Bio-Bike stehen zu lassen und stattdessen aufs E-MTB zu steigen. Mich motivieren vor allem zwei Gründe, das E-MTB zu nehmen: Mit dem E-Bike kann ich mich in doppelter Hinsicht auf dem Trail austoben. Denn dank Motor kann ich wie mit dem Enduro-Motorrad auch bergauf auf technischen Trails an meinen Skills feilen.

Zudem komme ich dank Motorunterstützung bis zu drei Mal so schnell den Berg hoch – im Umkehrschluss bedeutet das: bei gleichem Zeitinvestment kann ich drei Mal so oft die Abfahrt genießen. Pivot teilt dieses Verständnis von E-Mountainbiken und verweist darauf, dass man das Shuttle LT besonders auf technische Uphills ausgelegt habe. Also rauf auf den Trail und hoch zum Gipfel.

Pivot Shuttle LT-Test
Wir wollten mit dem Shuttle ballern. Bergauf, wie bergab!

Wenn auch der Uphill schon auf die Trail-Kilometer einzahlen soll

Die Länge des Shuttle LT in L bekomme ich gleich beim ersten Uphill zu spüren. Der Weg zum Trail-Einstieg führt steil nach oben und durch grobes Gelände. Es fühlt sich an, als sei das Vorderrad weit entfernt von der Fahrzeugmitte. Je steiler es wird, desto mehr muss ich auf die Sattelnase rutschen und den Oberkörper aktiv nach vorne lehnen. Ohne mein Gewicht über dem Bike nach vorne zu verschieben, bekommt das Vorderrad im steilen technischen Uphill zu wenig Führung ab und beginnt zu tanzen.

Obacht: Was hier beschrieben wird, ist für viele E-Biker wohl eher eine Ausnahmesituation. Ich beschreibe eine Uphill-Situation auf einem steilen, technischen Singletrail. Auf solchen Trails treffe ich für gewöhnlich wenige E-Biker. Ich für meinen Teil genieße die Herausforderung des Uphills, das Spiel mit dem Untergrund und der Steigung und den Spaß, auch berghoch schon Action zu erleben. Langweilige Schotterwege kommt man schließlich auch mit Light-Assist-Motoren hoch.

Wer sich so wie ich auf den Thrill von technischen Uphills steht und bei der Wahl der richtigen Rahmengröße zwischen zwei Größen liegt, der sollte zur kleineren Größe greifen.

Größenwahl Pivot Shuttle
Außergewöhnlich, aber bei 1,81 Meter ist man mit der Rahmengröße M fast besser bedient als mit L.

Egal welche Größe man wählt, auf dem Shuttle LT profitiert man von der enormen Traktion, die der Hinterbau generiert und vom Grip, mit dem der Reifen die schiere Motorkraft auf den Boden bringt.

Apropos Grip: Der DW-Link-Hinterbau des Shuttle LT glänzt selbst unter Antriebslast mit einem Ansprechverhalten, das selbst kleine Wurzeln und Steine frisst. Andere Hinterbauten werden häufig vom starken Kettenzug neutralisiert. Mit dem Pivot hingegen kann ich kräftig in die Pedale treten, den Motor anfeuern und mich trotzdem an einem aktiven Fahrwerk erfreuen.

Das Shuttle LT gleitet mit der Gelassenheit eines Dampfers und dem Speed eines Schnellbots Richtung Gipfel. Dabei fühlt es sich komfortabel aber nicht wie eine Sänfte an. Das Rad steht hoch im Federweg, wodurch sich das Fahrwerk stabil anfühlt und den Fahrer spüren lässt, was am Boden passiert. Auch an Kanten, an denen man das Vorderrad hoch lupfen und das Hinterrad nachziehen muss, bleibt der Hinterbau hoch im Federweg stehen – das sorgt für Kontrolle und Sicherheit im technischen Uphill.

Der kräftige CX Race Motor ist eine Klasse für sich. Denn dank 400 % muss man sich nicht die Seele aus dem Leib strampeln, um zu beschleunigen. Es reicht, die Kurbeln drehen zu lassen und schon schiebt der Motor das Bike den Hang hinauf. Aus 100 W Beinkraft macht der Motor das Vierfache. Auf Schotterwegen ist das fast schon unsportlich, doch im Gelände eröffnet diese Unterstützung neue Möglichkeiten. Der Fokus liegt voll auf den Trail – Augen und Körper zirkeln das Rad durchs Gelände, während die Kurbeln den Motor bei Laune halten und der stürmisch anschiebt.

Das Shuttle LT ist ein Uphill-Künstler.

Pivot Shuttle LT Uphill
Fahrwerk und Motor schaffen in Kombination auch fieseste Uphill-Passagen.

Pilot oder Passagier? Der Downhill wird's zeigen.

Ist das Shuttle LT erstmal auf Schwung, gibt es kein Halten mehr. Das Bike bügelt alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt. Das Fahrwerk zeigt sich schluckfreudig – aber auch zickig. Ich spüre eine gewisse Dysbalance zwischen Federgabel und Hinterbau. Der Hinterbau wirkt lebendig und bietet für die Masse des Bikes erstaunlich viel “Pop”. Dieser Pop schlägt jedoch beim Ausfedern an tiefen Schlägen und Kanten in ein “Kicken” um. Um diese “Kicks” abzufangen, muss ich mit meinem Gewicht nach hinten gehen – das Vorderrad verliert an Druck und bekommt ein Eigenleben.

Größeren und schwereren Fahrern dürfte dieses Phänomen nicht auffallen, weil grundsätzlich mehr Gewicht über dem Heck steht. Allerdings empfehle ich, der Gabel einen zusätzlichen Volumenspacer zu verpassen – das gleicht die Dysbalance zwischen Federgabel und Hinterbau aus.

Pivot Shuttle LT Test
Bremsen auf und los geht's: Was kann das Shuttle LT bergab?

Optional kann auch ein Fox Float X2 im Bike verbaut werden. Und auch diese Option konnte ich ausprobieren. Die Kennlinie des Float X2 gleicht aufgrund des größeren Luftvolumens eher einem Stahlfederdämpfer, wodurch die Progression und der Ramp-Up im letzten Drittel des Federwegs reduziert wird. Kurzum: die Kennlinie des Hinterbaus verläuft mit dem Float X2 weniger progressiv, wodurch die Rückstellkraft beim Ausfedern konstanter bleibt. Das Ergebnis: mit dem Float X2 bietet der Hinterbau weniger “Pop”, liegt dafür aber wie ein Brett auf dem Trail.

Mit dem neuen Set-Up zieht das Shuttle LT wie auf Schienen über den Trail, verhält sich dabei aber eher wie ein Güterzug auf Steroiden als ein ICE in Race-Laune. Das Shuttle LT kann schnell – und es liegt satt. Aber durch die Kombination seiner Länge und seinem Gewicht verhält sich das Bike genau wie es uns die Physik lehrt. Masse schiebt und Länge läuft – das Bike will geradeaus. Schnelle Richtungswechsel verlangen dem Fahrer Nachdruck ab. Wer sich passiv nach hinten lehnt, der wird zum Passagier auf dem Shuttle LT.

Pivot Shuttle LT
Schnelle Richtungswechsel verlangen dem Bike etwas Nachdruck vom Fahrer ab.

Wer dem Bike hingegen selbstbewusst die Sporen gibt, mit dem Oberkörper nach vorne geht und das Bike mit Nachdruck in die Kurven drückt, der erhebt sich zum Piloten über das Shuttle LT. Glücklicherweise kommt der Körpereinsatz des Fahrers ungemindert an, denn das Shuttle LT punktet mit einer homogenen Steifigkeitsverteilung. Die Lenkkopfsteifigkeit und das definierte Fahrwerk sorgen dafür, dass Lenkimpulse direkt übersetzt werden.

Aufgrund des flachen Lenkwinkels will das Bike wie ein Carving-Ski in die Kurve gelegt werden – wer das Bike aufrecht stehen lässt und stumpf einlenkt, spürt schnell, dass das Bike geradeaus drückt.

Je schneller man fährt, desto mehr blüht das Shuttle LT auf. Dieses Bike giert nach Geschwindigkeit. Wenn man ihm diese Geschwindigkeit zugesteht, verschmelzen Fahrer und Bike zu einem unzertrennlichen Team. Das Bike belohnt den Fahrer mit einer stoischen Ruhe, selbst in härtestem Terrain.

Airtime - Das einzige Shuttle, das ohne NASA-Freigabe auch gern mal abhebt.

Alle Shuttle-Modelle auf einen Blick

Pivot bietet seine Bikes immer in zahlreichen Ausstattungskits an. So gibt es das Shuttle LT in 3 Basisausstattungen. Zusätzlich kann man jeden Kit für 1500 € mit Fox‘ neuestem Live Valve Neo upgraden. Einen Range Extender mit 250 Wh gibt es bei Pivot für 500 € ab Werk zusätzlich. Mit unserer Vergleichsfunktion könnt ihr die Bikes untereinander direkt vergleichen. Einfach auf das Pfeilsymbol klicken und so die Bikes in den Vergleich packen.

Pro

  • exzellenter Hinterbau mit grandioser Traktion
  • Laufruhe, auch wenn es richtig grob zur Sache geht!
  • gelungenes Gesamtpaket
  • super Motor mit richtigem Bums

Contra

  • Sehr teuer
  • ganz schön lang - auf jeden Fall vor Kauf probefahren (evtl. kleinere Größe nehmen)
  • Bosch CX Race basiert auf alter Motor-Hardware (Getriebeklappern)

Fazit zum neuen Pivot Shuttle LT 2024

Das Shuttle LT sprengt die Grenzen zwischen E-Enduro und E-Freerider. Das Bike klettert souverän nach oben und lädt den Fahrer schon im Uphill ein, von langweiligen Schotterwegen abzubiegen, um auf fordernde Trails die Hänge hochzustürmen. Bergab bietet das Shuttle LT massig Reserven, glänzt mit einem hervorragenden Hinterbau und einer starken Laufruhe. Gleichermaßen verlangt das Bike aber nach einer starken Hand, die dem Bike selbstsicher die Richtung vorgibt. Wer auf dem Shuttle LT Pilot sein will, darf sich vom starken Charakter des Bikes nicht einschüchtern lassen.

Über den Autor

Maxi Dickerhoff

...liebt es, mit der Hangabtriebskraft zu spielen und bewegt Mountainbikes bergab meist in Schräglage. Sein Fahrstil verlangt den Bikes alles ab, seine Liebe zum Detail macht seine Tests zu einer wahren Hilfe für alle Biker.

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